In „Berliner Bessermacher" sprechen wir mit Berliner Unternehmen und Unternehmern darüber, wie nachhaltiges Wirtschaften in der Region aussehen kann. Dominik Campanella ist Geschäftsführer von Concular und arbeitet mit seinem Team daran, die Immobilien- und Baubranche hin zu einer kreislaufgerechten, nachhaltigen Wirtschaftsweise zu transformieren.
BR: Guten Tag Dominik (Campanella). Wir freuen uns, dass du heute zu Gast bei uns in der „Mall of BR“ bist. Bitte stelle dich & Concular kurz vor.
Dominik Campanella (DC): Ich bin Dominik Campanella, ich bin einer der Mitgründer von Concular. Concular ist der führende Anbieter für zirkuläres Bauen und kreislaufgerechtes Bauen in Deutschland. Wir sitzen in Berlin Neukölln im Impact Hub in Berlin. Wir sind knapp 70 Leute und wir schließen Materialkreisläufe im Bauwesen und zwar schon heute und natürlich auch in der Zukunft.
BR: Was macht Euch besonders gut, wo liegt Eure „Superkraft“?
DC: Um den großen Kontext zu geben: Die Baubranche ist mit Abstand der größte Umweltverschmutzer der Welt. Wir schauen uns natürlich viel die Siedlungsabfälle an usw., das sind aber „nur“ 40 %. 60 % des gesamten Abfallaufkommens kommt aus der Baubranche, das sind immense Mengen, Millionen von Tonnen und Material.
Wir haben ein riesiges Abfallproblem, auf der anderen Seite haben wir auch ein riesiges CO2-Problem. Denn 40 % des CO2s stammt eben aus der Baubranche, die Hälfte ist die Herstellung der Materialien, also 20 % des globalen CO2s, d.h. man kann hier also sagen, der Klimawandel wird auf der Baustelle entschieden.
Was wir gesehen haben ist, dass fast keine Materialien heute wieder genutzt werden. Auf der einen Seite werden Gebäude abgerissen, die Materialien gehen auf die Deponie, auf der anderen Seite werden neue Gebäude gebaut, und es werden genau die gleichen Materialien, die vielleicht eine Straße weiter entsorgt werden, wieder eingebaut, aber neu.
Und das ist quasi unsere Superkraft, weil wir gesehen haben: Lasst uns doch genau diese Materialien so hochwertig wie möglich wieder einbringen. Und das machen wir, das haben wir in über 450 Projekten gemacht, in 1,5 % aller Rückbauvorhaben letztes Jahr war Concular involviert. Und uns gibt es erst seit 4 Jahren, aber unser Anspruch ist es, zirkuläres Bauen als der Standard zu haben. Dass es nicht mehr die Wahl zwischen konventionellem und zirkulärem Bauen gibt, sondern Bauen ist zirkulär per Definition. Das ist unser Anspruch und da arbeiten wir jeden Tag für.
BR: Kannst du noch durch ein Gebäude laufen, ohne über die Materialien nachzudenken?
DC: Naja, wir sind ja gerade hier durchgelaufen und ihr merkt, das ist vielleicht eine Macke von mir, ich kann einfach in kein Gebäude mehr gehen, ohne an die Wand zu klopfen, ohne zwischen die Tür zu schauen, ohne auf die Decke zu schauen, das funktioniert nicht mehr. Und interessant ist, sobald man bei Concular anfängt, ist das etwas, was man macht. Jeder bei uns geht in ein Gebäude rein und es ist natürlich verrückt, wenn wir zusammen in ein Gebäude sind, sieht man wie die ganzen Leute von Concular auf einmal überall hinschauen, sich die ganzen Stempel anschauen usw. Wir sind sozusagen „Bauteiljäger“ geworden und das ist ganz lustig, das ist eine Eigenschaft, die man bei Concular entwickelt. Man bekommt einen ganz anderen Blick auf Materialien. Das ist ja auch toll.
BR: Stichwort Werte: Wie würdest du das Wertesystem von concular beschreiben? Und hast Du einen bestimmten Moment im Sinn, in dem diese Werte erlebbar wurden?
DC: Ich würde nicht sagen, dass wird das klassische Unternehmen sind. Zum einen, was wir mit Concular erreichen wollen, ist, wie gesagt zirkuläres Bauen als den Standard zu etablieren. Das schaffen wir aber nicht alleine, sondern das schaffen wir nur in Kooperation. Wir wollen mit ganz vielen zusammenarbeiten und wir wollen idealerweise, dass noch 10 andere Conculars entstehen. Wir teilen ganz viel und wir wollen auch ein Vorbild sein. Wir machen viele Dinge, wir haben zum Beispiel eine DIN-Norm entwickelt: Die erste DIN Norm für den zirkulären Rückbau überhaupt in Deutschland, die ist jetzt europaweit adaptiert worden, in Österreich, der Schweiz, Dänemark usw. Das könnte ja auch unser Geschäftsgeheimnis sein, aber wir wollen das teilen mit anderen. Unsere Mission ist es eben, das voranzubringen. Das ist glaube ich etwas, was wir alle in unserem Unternehmen teilen.
Jeder, der bei uns arbeitet, ist wirklich intrinsisch motiviert, etwas zu verändern. Man merkt einfach, wie die Leute dafür brennen. Das gibt dann eine ganz andere Herausforderung, wenn man so ein Unternehmen entwickelt und zwar, dass die Leute nicht verbrennen, wenn sie dafür brennen.
Das ist natürlich ein „Luxusproblem“, aber das ist auch eine sehr wichtige Sache, die man angehen muss, die Work-Life-Balance, die Mental Health der Mitarbeitenden.
BR: Stichwort Berlin: Was macht Berlin für dich zu einer lebenswerten Stadt und siehst du noch Potentiale zum Bessermachen?
DC: Berlin ist sehr besonders. Ich sag immer: Es gibt Berlin und es gibt Deutschland. Also es gibt superviele Aspekte von Berlin, aber ich glaube diese Offenheit ist superwichtig in Berlin. Wir sind in Stuttgart gegründet, aber wir haben die meisten Leute hier in Berlin und das hat einfach den Grund, dass wir hier einfach Leute finden, um solche Dinge zu machen. Ich meine, die Baubranche funktioniert seit über 100 Jahren genau so, das sind verkrustete Strukturen. Wir müssen anders denken, wir können nicht denken wie die letzten 100 Jahre.
Und solche Leute zu finden, die findest du nur in Berlin, Leute zu finden, die was verändern wollen, die auch über den Tellerrand denken und das macht Berlin aus, die Menschen.
Und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind in Berlin auch nicht schlecht. Wir haben Berlin Partner zum Beispiel, wir haben eine gute Wirtschaftsförderung, wir haben die IHK, die auch sehr viel Innovation fördert, wir haben hier einfach sehr viele Partner gefunden, mit denen wir zusammenarbeiten können.
Und auch in der Senatsverwaltung, die Senatsverwaltung für Umwelt, mit der haben wir unser erstes Mining Hub eröffnet, ein Zwischenlager für Materialien – das wäre in einer anderen Stadt wahrscheinlich nicht so einfach gewesen.
BR: Würde man das Ausmaß des Klimawandels mit einer Uhr messen, wie spät wäre es dann?
DC: In der Diskussion reden wir ja immer stärker über Klimafolgenanpassungen, d.h. wir sind eigentlich schon drüber, weil immer mehr auch Wissenschaftler:innen sagen, dass der Klimawandel so an sich leider nicht mehr aufhaltbar ist. Ich denke, wir können immer noch etwas machen, ihn aufzuhalten. Aber es wird sehr eng, wir sind wahrscheinlich schon drüber. Wir müssen jetzt handeln. Dinge verändern sich leider langsam, d.h. wir müssen Dinge jetzt initiieren, damit sie wirken. 2030 wollen wir 50 % weniger CO2 haben. Da sind wir noch weit entfernt.
Wenn ich jetzt auf die Straße gehen würde und eine Person fragen würde, was ist der größte Umweltverschmutzer der Welt? Dann würden sie nicht sagen: Die Baubranche. Die würden sagen: Fliegen, das macht ungefähr 3 % aus, noch irgendein paar andere Sachen, Autos usw.
Baubranche sind 40 %. Das Bewusstsein dafür, dass da eine große Herausforderung ist, das ist noch nicht in der breiten Öffentlichkeit. Jeder muss hinterfragen, ob ich jetzt wirklich einen Neubau brauche oder ein Bestandsgebäude habe. Wir brauchen einen ganz anderen Umgang mit Bestand, das ist superwichtig und es muss mehr in den gesellschaftlichen Diskurs kommen. Neu ist nicht unbedingt besser.
BR: Hattet ihr schon mal den Fall, dass ihr Materialien nicht annehmen konntet?
DC: Schadstoffbelastetes Material können wir natürlich nicht wieder einbringen. Das ist ein großes Problem bei Gebäuden in den 70ern, 80ern. Wir können auch nicht 100 % einbringen. Aktuell ist die Wiedernutzungsrate 1%, wir schaffen bei einem Gebäude zwischen 20 und 60. Wir hatten auch schon Gebäude mit 80 und 90, aber im Durchschnitt zwischen 20 und 60 Prozent, von allen Materialien. Das ist immer noch 20-mal mehr, mindestens, als heute, aber wir können auch nicht immer alles einbringen.
Es braucht auch immer auch Nachfrage, die Nachfrage muss auch stärker werden, die schaffen wir durch regulatorische Rahmenbedingungen, da arbeiten wir auch viel dran, dass es etabliert wird.
Wir haben schon die DIN SPEC 91484 entwickelt, in der es darum geht, wie man Materialien in Gebäuden aufnehmen kann, um sie in eine hochwertige Anschlussnutzung zu überführen. Aber die Norm DIN SPEC 91525, die wir jetzt entwickeln, mit ganz vielen Partnern, und alle sind eingeladen, es ist kostenfrei, daran teilzunehmen, die DIN SPEC 91525 sind Rückbaukonzepte.
Wir wollen klare Anforderungen machen, wie wir hochwertigen selektiv werteerhaltenden Rückbau durchführen können. Und das wollen wir durch eine Norm. Man kann jetzt natürlich kritisieren „mehr Norm“, aber wir haben gemerkt, dass man mit Normen, wenn man sie richtig macht, wir auch mehr Nachhaltigkeit einbringen können. Das ist jetzt unser Ziel.
BR: Was sind die größten Herausforderungen, die ihr überwinden müsst? Aus welchem Bereich erwartest du Lösungen, Politik oder Bürger? Wirtschaft oder Kunden, StartUps oder Technik, Wissenschaft oder Unternehmertun?
DC: Also die Technik ist da. Wir zeigen auch, dass es funktioniert. Wir haben es in über 450 Projekten gezeigt, wir sehen auch immer eine stärkere Sensibilisierung. In einer Gesellschaft kann natürlich auch immer noch mehr passieren, aber ich glaube wo angesetzt werden muss, das ist bei den politischen Rahmenbedingungen.
Es muss eine Klarheit sein, es muss ein ganz klarer Plan da sein: Wie wollen wir in der Baubranche Zirkularität etablieren? Und da gibt es auch gute Beispiele. In Dänemark und in Frankreich wurden sogenannte CO2-Grenzwerte eingeführt. Du kannst bauen wie du möchtest, du kannst im Bestand bauen, du kannst neu bauen, du kannst mit Beton bauen, du kannst mit Stahl bauen, mit Holz - am Ende musst du die CO2-Grenzwerte einhalten.
Was wir gesehen haben in Frankreich und in Dänemark: Eine komplette Wirtschaft ist entwickelt worden, am Ende ist es so einfach.
Eine ganze Wirtschaft hat sich jetzt darum gebildet im Circular Economy und das fehlt aktuell in Deutschland. Es fehlt, dass es diese Rahmenbedingungen gibt, es braucht eigentlich nur die CO2-Grenzwerte und damit ergibt sich alles andere.
Wir können European Player in der Kreislaufwirtschaft der Baubranche werden, aber es liegt nicht mehr in unserer Hand. Wir haben gezeigt, dass es funktioniert, jetzt muss die Politik handeln.
BR: Meinst du, schaffen wir das?
DC: Es gibt keinen anderen Weg. Wir müssen es schaffen. Wir von concular arbeiten jeden Tag daran. Wir machen unseren Teil. Und das Gute ist, wir sind auch nicht alleine, wir haben viele Leute, die genau das gleiche machen und es werden auch immer mehr und wir müssen das schaffen. Es gibt keine Alternative. Es gibt keinen Plan B für unseren Planeten.
BR: Vielen Dank, Dominik Campanella, für das Interview und euer Engagement.
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Bilder: (c) Concular, Thomas B. Jones
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