Haben Sie bei Ihren Einkäufen im Supermarkt schon einmal auf die Menge an Verpackungsmaterialien geachtet? Denn egal ob in der Obst- und Gemüse-Abteilung, bei Trockenprodukten wie Nudeln und Reis bis hin zu den geliebten Süßigkeiten: Fast jedes Produkt steckt in einer Verpackung aus Papier, Kunststoff oder Metallen. Ohne Verpackungsmüll im Supermarkt einkaufen geht nicht? Geht doch! Das beweist der „Original Unverpackt“-Laden in Berlin-Kreuzberg. Wir haben mit Ria Schäfli von Original Unverpackt (OU) gesprochen. Im Interview gibt sie Einblicke in den Kreuzberger Zero-Waste-Laden und verrät, wie auch Sie künftig auf unnötige Verpackungen im Alltag verzichten können.
„OU“ – Was bedeutet das eigentlich?
„OU“ ist die Kurzform für „Original Unverpackt“. Dahinter steckt die Idee von Milena Glimbovski, die 2014 mit ihrem Team den ersten Zero-Waste-Supermarkt in Deutschland eröffnet hat. Im Original Unverpackt-Laden, der in Berlin-Kreuzberg beheimatet ist, können seitdem Lebensmittel und Waren ohne Verpackungen eingekauft werden. Stattdessen werden die Produkte in sogenannten „Bulk Bins“ (Spendersystemen) aufbewahrt. Für den Einkauf bringen die Kunden ihre eigenen Behältnisse mit. Ob Tupperdose, Stoffbeutel oder Einweggläser spielt dabei keine Rolle. Die eigenen Behälter werden vor dem Einkauf leer gewogen. Bezahlt wird nur, was dann an Waren entsprechend verstaut wird. Neben dem Zero-Waste-Laden steht „OU“ aber auch für einen eigenen Online-Shop. Mehr dazu verrät euch aber Ria in unserem Interview:
Das ist Ria von „Original Unverpackt (OU)“
Ria arbeitet seit rund einem Jahr bei OU und kümmert sich dort um das Marketing und den Kundenservice.
Berlin Recycling (BR): Ria, wie kam es, dass du Teil des mittlerweile sechsköpfigen „Original Unverpackt“-Teams geworden bist?
Ria: Ich komme ursprünglich nicht aus Berlin und kannte den Laden daher zuvor noch nicht. Damals war ich längere Zeit im Ausland. Während dieser Zeit ist mir vor allem an Stränden und in Entwicklungsländern der viele Müll bewusst geworden, den wir jeden Tag produzieren und der die Umwelt belastet. Da stand für mich fest, dass sich etwas ändern muss. Angefangen habe ich dafür natürlich bei mir selbst.
Als ich dann nach Berlin gezogen bin, habe ich mich nach Arbeitsstellen im nachhaltigen Bereich informiert. Und so bin ich auf „OU“ gestoßen.
5 Jahre „Original Unverpackt“ – Was hat sich seitdem getan?
BR: Ihr steht jetzt kurz vor eurem fünfjährigen Jubiläum – welche Herausforderungen habt ihr in dieser Zeit gemeistert, welche Meilensteine erreicht?
Ria: Eine der ersten Herausforderungen war die Lieferantensuche gleich zu Beginn. Denn unsere Waren sollen natürlich auch möglichst ohne Verpackungen zu uns geliefert werden. Außerdem müssen unsere Produkte bio sein und bevorzugt regional angebaut oder produziert werden. Passende Dienstleister zu finden, die all diese Kriterien erfüllen, war daher gar nicht so einfach.
Mittlerweile haben wir uns aber ein tolles Netzwerk an Lieferanten aufgebaut, mit denen wir viele Erfolge feiern konnten. Unsere Zahnputz-Pastillen gab es zum Beispiel anfangs nur einzeln verpackt – so wollten wir sie aber nicht in unser Sortiment aufnehmen. Der Lieferant hat sich dann unseren Wünschen angepasst und die Pastillen in Großgebinden geliefert. Deshalb findet man sie jetzt auch bei uns im Laden.
Neben der Eröffnung des Ladens ist außerdem der Launch unseres eigenen Online-Shops eines der größten Highlights. Denn dadurch haben wir die Möglichkeit, nicht nur Menschen in Berlin, sondern deutschlandweit und international erreichen und beliefern zu können.
Und es gibt einen weiteren Meilenstein, den wir noch in diesem Jahr erreichen wollen.
BR: Könnt ihr uns dazu schon mehr verraten?
Ria: Wir möchten noch in diesem Jahr einen zweiten Laden in Berlin eröffnen. Da wir aktuell aber noch in der Planung sind, können wir noch nichts Konkretes verraten…aber seid gespannt!
BR: Weshalb habt ihr euch dazu entschieden, einen zweiten Laden zu eröffnen?
Ria: Die Nachfrage ist ganz klar da. Wir möchten das Konzept in Berlin weiter verbreiten und überlegen deshalb auch, den Laden eventuell in einem ganz anderen Bezirk der Stadt zu eröffnen – und es so mehr Menschen zu erleichtern, in ihrem Alltag unverpackt einzukaufen.
Immerhin finden 70 Prozent der Deutschen das Konzept von OU super – das geht aus einer aktuellen Studie hervor. Aber vor allem in ländlicheren Regionen haben noch nicht alle die Möglichkeit, in einem Supermarkt ohne Verpackungen einkaufen gehen zu können.
BR: Denkst du, Unverpackt-Läden werden über die Grenzen der Großstädte hinaus bekannt?
Ria: Auf jeden Fall. In Deutschland sind in den letzten Jahren zwischen 80 und 100 Läden entstanden. Noch vor fünf Jahren, als Milena den OU-Laden eröffnet hat, war das Konzept nur für Wenige ein Begriff.
BR: Wer geht denn so bei euch einkaufen?
Ria: Bei uns ist die Zielgruppe total gemischt. Und: Unser Kundenstamm wird immer größer und das freut uns natürlich sehr – bei uns ist jeder willkommen!
BR: Und aus welchen Bezirken kommen eure Kunden?
Ria: Die meisten Kunden kommen schon aus der Umgebung. Aber viele kommen zum Beispiel auch extra aus Charlottenburg zu uns. Natürlich können sie nicht jeden Tageseinkauf bei uns machen, aber besuchen uns schon in regelmäßigen Abständen. Dann kaufen sie bestimmte Artikel auf Vorrat, etwa unsere Trockenwaren.
Was gibt es bei „Original Unverpackt“ alles zu kaufen?
BR: Wie hat sich euer Sortiment von der Anfangszeit bis jetzt verändert?
Ria: Unser Sortiment ist über die Jahre kontinuierlich gewachsen. Süßigkeiten werden zum Beispiel immer mehr angeboten. Zu unseren Produkten gehören auch Reis, Nudeln, Hülsenfrüchte und Gewürze. Außerdem findet man bei uns Kosmetikprodukte, Reinigungsmittel und Bücher rund zum Thema „Zero Waste“. Wer für seinen Einkauf kein Behältnis dabei hat, kann das auch bei uns direkt erwerben.
BR: Gibt es Produkte, die ihr nicht in euer Sortiment aufnehmen könnt, da sie bisher nicht unverpackt lieferbar sind?
Ria: Wir würden sehr gerne Chips anbieten. Die werden aber leider schnell labberig, wenn sie nicht luftdicht verpackt sind. Wir hoffen aber, hierfür in naher Zukunft auch eine Möglichkeit zu finden.
BR: Welches Produkt wird in eurem Online-Shop am häufigsten bestellt?
Ria: Auf den ersten Blick überraschend, aber es werden vor allem unsere nachhaltigen Behältnisse wie Netze und Beutel bestellt.
Außerdem beliebt sind unsere Do-it-yourself-Sets, mit denen die Leute zu Hause eigene Kosmetikprodukte oder nachhaltige Reinigungsmittel herstellen können.
Einkaufen (fast) ohne Müll- worauf sollte man achten?
BR: Welche Tipps hast du an Verbraucher, die Zero-Waste im Supermarkt einkaufen möchten?
Ria: Bevor man etwas kauft, sollte man immer zunächst darüber nachdenken, ob man es überhaupt braucht oder gar selber machen kann. So produziert man weniger Müll, kennt die Inhaltstoffe ganz genau und kann seiner Kreativität freien Lauf lassen.
Mittlerweile gibt es aber viele Supermärkte, die zumindest bei bestimmten Produkten auf Verpackungen verzichten. Vor allem in Bio-Märkten findet man Obst und Gemüse unverpackt. Wichtig ist, mit einer Einkaufsliste einkaufen zu gehen – so kauft man wirklich nur das, was man braucht, und wird von unüberlegten Impulskäufen abgehalten. Ab und zu darf man sich aber natürlich auch etwas in Plastik Verpacktes gönnen. Niemand sollte sich gezwungen fühlen, auf etwas zu verzichten, was er mag, wenn es keine unverpackte Alternative gibt.
BR: Was wäre so ein Produkt bei dir?
Ria: Momentan ist das bei mir der Sojajoghurt. Er lässt sich nicht leicht selbst herstellen und ich konnte noch keine unverpackte Alternative finden.
BR: Wo müssen die Supermärkte dringend etwas tun, um Verpackungen zu reduzieren?
Ria: Obst und Gemüse sollten auf jeden Fall nicht mehr verpackt werden. Außerdem sind viele vegane und vegetarische Produkte unheimlich aufwendig verpackt. Mehr Produkte sollten im Glas oder zum Abfüllen angeboten werden. Großartig wäre es, wenn es in normalen Supermärkten in naher Zukunft Unverpackt-Abteilungen geben würde.
BR: Was denkst du, warum dieses Konzept bisher nur in wenigen Supermärkten Anklang gefunden hat?
Ria: Ich denke, dass das mit dem damit verbundenen hohen Aufwand für Betriebe und der Bequemlichkeit der Menschen zu tun hat. Wir haben uns über die letzten 30 bis 40 Jahre so an Verpackungen gewöhnt, dass es einfach lange kein Thema war. Außerdem können die Supermärkte auch nur auf das zurückgreifen, was von den Herstellern angeboten wird. Da Plastik nun mal billiger ist, wird es auch häufig verwendet.
Zero-Waste-Tipps für den Alltag
BR: Neben Verpackungen gibt es ja aber auch noch weitere Möglichkeiten, um Müll im Alltag zu vermeiden. Was ist in deinem Zero-Waste-Alltag nicht mehr wegzudenken?
Ria: Ein hochwertiger Baumwollbeutel ist immer dabei, weil er unglaublich vielseitig einsetzbar ist. Dann habe ich immer eine Trinkflasche dabei, die kann man überall wiederauffüllen. Und für die warmen Temperaturen habe ich immer einen Glasstrohhalm für Cafés oder Bars dabei.
BR: Apropos warme Temperaturen: Der Sommer naht und Parks laden zum Entspannen ein. Hast du hier ein paar Tipps für uns, um Müll zu vermeiden?
Ria: Bei einem Picknick kann man sich richtig austoben! Leckere Dips, Obst, Gemüse und weitere Snacks lassen sich so einfach in wiederverwendbaren Boxen und Dosen anrichten und mitnehmen. Und auch beim Eisessen kann man es sich leicht machen. Vor Ort immer Waffel statt Eisbecher nehmen oder direkt mit der Thermodose zur Eisdiele gehen und eine Vorratsportion mit nach Hause nehmen. Oder man macht sein Eis einfach selbst.
BR: Was macht ihr über den Original Unverpackt-Laden hinaus, um Zero-Waste bekannter zu machen?
Ria: Wir bieten Führungen für Schulklassen und Unternehmen durch unseren Laden an. Milena selbst hält immer wieder Vorträge rund um das Thema Nachhaltigkeit und Zero-Waste – oftmals in Universitäten.
Eine weitere große Rolle spielt natürlich auch Social Media – auf unseren Kanälen können wir unsere Message verbreiten und Informationen zum Thema vermitteln.
Außerdem haben wir einen Onlinekurs erstellt, mit dem Interessierte lernen können, wie sie ihren eigenen Unverpackt-Laden eröffnen können.
BR: Kennt ihr Unverpackt-Läden, die auf Basis eurer Online-Workshops entstanden sind?
Ria: Ja, die gibt es. Zum Beispiel gibt es in Slowenien einen Laden, der durch unsere Workshops gegründet wurde.
BR: Wo wir gerade beim Thema sind: Wie könnten Unternehmen denn umweltbewusster werben?
Ria: Wir persönlich verzichten vollständig auf Flyer und Plakate und legen unser Augenmerk auf Online-Marketing. Vor allem auch über die Sozialen Netzwerke und die direkte Kommunikation über Mails kann man viele Menschen erreichen. Sollte es aber nicht vermeidbar sein, ist es wichtig, auf recyceltes Papier zurückzugreifen.
BR: Würdest du sagen, dass sich dein Alltag durch das Leben mit Zero-Waste verändert hat? Brauchst du für manche Dinge mehr Zeit?
Ria: Mein Alltag ist auf jeden Fall anders als zuvor, allerdings benötige ich nicht unbedingt mehr Zeit für Vorbereitungen oder den Einkauf. Ich konsumiere einfach viel bewusster als früher und mache mir mehr Gedanken über einen Kauf als vorher. Ich stelle mir mittlerweile sehr oft die Frage „Brauche ich das wirklich?“. Ich fühle mich auf keinen Fall eingeschränkt.
BR: Fühlst du dich besser, seitdem du Zero Waste lebst?
Ria: Ich habe auf jeden Fall ein reineres Gewissen und fühle mich besser, da ich bewusster konsumiere und etwas für die Umwelt tue – dass lässt mich abends mit einem viel besseren Gefühl ins Bett gehen!
BR: Das hört sich doch nach einem tollen Fazit an! Vielen lieben Dank für deine Zeit, Ria! Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg – und verfolgen mit Spannung, wo ihr euren zweiten Laden in Berlin eröffnet werdet!
Jetzt sind Sie gefragt: Kannten Sie den Original Unverpackt Laden bereits? Was sind Ihre besten Tipps, um im Alltag Müll zu vermeiden? Schreiben Sie es uns in die Kommentare! Weitere Ideen, um weniger Müll zu produzieren, finden Sie außerdem auf unserem Zero-Waste-Blogbeitrag. Möchten Sie künftig immer über nachhaltige Tipps informiert werden? Dann melden Sie sich für unseren kostenfreien Newsletter an!
Bildnachweise
© Bilder Original Unverpackt: Original Unverpackt / original-unverpackt.de