In „Berliner Bessermacher" sprechen wir mit Berliner Unternehmen und Unternehmern darüber, wie nachhaltiges Wirtschaften in der Region aussehen kann. Heute mit: Michael Halberstadt vom Flughafen Berlin Brandenburg. Über eine S-Bahn, mit der man fast bis in den Urlaub fliegen kann. Über ein Projekt, das aus Biomasse grünes Kerosin machen will. Und darüber, wie aus 2 Millionen gesammelten Pfandflaschen 30 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose wurden.

BR: Guten Tag Herr Halberstadt. Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Michael Halberstadt (MH): Mein Name ist Michael Halberstadt. Ich bin 60 Jahre alt, verheiratet und stolzer Vater zweier Söhne. Seit Mai vergangenen Jahres bin ich als Personalgeschäftsführer und Arbeitsdirektor bei der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) tätig. Dabei verantworte ich den Personalbereich sowie die Themen Umlandarbeit, Schallschutz und Umwelt. Berlin kenne ich im Übrigen bereits seit vielen Jahren. Vor meiner Beschäftigung bei der FBB und meiner davorliegenden Funktion als Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor bei den Leipziger Verkehrsbetrieben war ich 15 Jahre mit verschiedenen Aufgaben beim ver.di-Bundesvorstand betraut, zuletzt als Bereichsleiter für Tarifpolitik.

BR: Was macht Ihr Unternehmen? Und vor allem: was macht Ihr Unternehmen besonders gut, wo liegt Ihre Superkraft?  

MH: Wir können fliegen! Mit mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sichern wir die Luftverkehrsinfrastruktur für die Hauptstadtregion in Brandenburg und Berlin und sind damit das Tor zur Welt. Unsere Superkraft besteht somit auch darin, einen Ort am Laufen zu halten, von dem aus man in wenigen Stunden in praktisch jede Ecke Europas und viele Ziele darüber hinaus kommt. Wir haben den BER fertiggestellt und konnten ihn im Oktober 2020 eröffnen. Mit dem neuen Flughafen haben wir atmosphärische, moderne und zukunftsträchtige Infrastruktur geschaffen. Wenn auch unter ganz anderen Bedingungen als wir uns das vorgestellt haben. Die Corona-Pandemie stellt uns vor ganz neue Herausforderungen, indem sie einen wirklich dramatischen Einbruch der Passagierzahlen ausgelöst hat. Das belastet unsere „Superkraft“ und ist vor allem wirtschaftlich extrem schwierig. Aber es gibt eine Zeit nach der Coronakrise und dann ist der Flughafen wieder der Wirtschaftsmotor, der zigtausende Arbeitsplätze im Umfeld antreibt.

BR: Damit wir Sie nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verraten Sie uns doch auch einen kleinen Spleen von Ihnen.

MH: Ich hatte schon immer ein Faible für extravagante Brillen. Wenn man das überhaupt als Spleen bezeichnen kann (schmunzelt).

In „Berliner Bessermacher" sprechen wir mit Berliner Unternehmen und Unternehmern darüber, wie nachhaltiges Wirtschaften in der Region aussehen kann. Sprechen Sie mit!

BR: Stichwort Berlin: Was macht Berlin für Sie zu einer lebenswerten Stadt?  

MH: Schwierige Frage, wo soll ich da anfangen? Was ich besonders schätze, sind die geballte Vielfalt, die Kontraste, die die Hauptstadt so einzigartig machen. Neben den vielen verschiedenen Kulturen, die hier aufeinandertreffen, ist es auch die besondere Fülle an Möglichkeiten. Ob Kultur, Architektur, Sport oder Erholung: in und um Berlin findet jeder das passende Angebot. Die Stadt ist eine riesige Projektionsfläche. Vor Corona haben jährlich weit über 20 Mio. Menschen Berlin besucht. Viele davon sind mit dem Flugzeug gekommen. Sie hatten sicher Tausende von Gründen, warum sie nach Berlin wollten. Und das Faszinierende daran ist, dass praktisch keiner unzufrieden nach Hause fährt und viele wieder und wieder kommen.

BR: Was bedeutet der Begriff Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen oder für Sie persönlich?

MH: Nachhaltigkeit bedeutet für uns in erster Linie einen dauerhaften Verbesserungsprozess voranzutreiben. Insofern müssen auch wir ganz genau schauen, in welchen Segmenten wir vielleicht noch besser werden können. Das beinhaltet verschiedene Fragestellungen wie z. B. Verkehrsströme, Wasser, Wärme und Energie oder aber auch den Zusammenhalt der Belegschaft untereinander. Besonders stolz sind wir schon jetzt auf unseren Modal Split am BER. Unter dem BER ist ja bekanntermaßen ein ICE- und S-Bahnhof. Unsere ÖPNV-Anbindung rangiert daher im europäischen und deutschen Vergleich auf einem der vordersten Plätze.

BR: Geben Sie uns bitte ein Beispiel für Nachhaltigkeit in Berlin / in Europa / auf der Welt, welches Sie nachhaltig beeindruckt hat.

MH: Persönlich bin ich ein Freund der Cradle-to-Cradle (C2C) Idee. Im Speziellen fasziniert mich der Ansatz, dass Unternehmen so produzieren lassen, dass letztlich eine abfallfreie Wirtschaft entsteht, die frei von gesundheitsschädlichen Materialien ist und bei der die verwendeten Rohstoffe immer wieder einem Kreislauf zurückgeführt werden.

Ein gutes Beispiel für mich ist, auch wenn es noch in den Kinderschuhen steckt, die Verwendung von „Grünen Flugzeugtreibstoffen“ aus Biomasse oder Power-to-Gas, also „grünes Kerosin“ hergestellt aus „grünem Strom“. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Brandenburg und der BER da eine Vorbildfunktion einnehmen. Die Nachfrage danach wird steigen.

BR: Welchen Beitrag kann die regionale Wirtschaft leisten und welchen Beitrag kann Recycling leisten, damit die Stadt Berlin nachhaltiger und lebenswerter wird?

MH: Beim Thema Recycling kommt mir natürlich sofort das Projekt „Spende dein Pfand“ in den Sinn. In Zusammenarbeit mit Der Grüne Punkt, dem Bildungs- und Beschäftigungsträger Goldnetz sowie der Berliner Tafel haben wir in den vergangenen Jahren rund 2.100.000 Pfandflaschen mit einem Wert von je 25 Cent und weitere knapp 100.000 Mehrwegflaschen gesammelt und wiederverwertet. Mehrere hunderttausend Euro konnten somit der Berliner Tafel zur Verfügung gestellt und zudem 30 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose geschaffen werden. Beim Thema Nachhaltigkeit ist Berlin mit seinem guten ÖPNV, dem größten Fernwärmenetz in Westeuropa und einem hohen Grünstromanteil im Netz gut aufgestellt. Genau das sind übrigens auch wichtige Eckpunkte für unsere Nachhaltigkeit: Sehr gute ÖPNV-Erreichbarkeit, Verwendung von Grünstrom und der Einsatz eines hocheffizienten Fernwärme- und Kältekraftwerks.

BR: Was sind die größten Herausforderungen, die man dabei überwinden müsste? Und aus welchem Bereich erwarten Sie gute Lösungen? Politik oder Bürger? Wirtschaft oder Kunden? Startups oder Technik?

MH: Ich bin davon überzeugt, dass die gegenwärtige Pandemie gleichzeitig das größte Hindernis und der stärkste Treiber einer nachhaltigen Wirtschaft sein kann. Einerseits ein Hindernis, weil von der Überwindung der Pandemie erst mal alles andere abhängt. Andererseits zeigt sich gerade im Lockdown, zu welchen Kraftanstrengungen wir in der Lage sind. Was jetzt geleistet wird, sollte uns zuversichtlich machen, auch so wichtige Themen wie eine nachhaltigere Wirtschaft erfolgreich angehen zu können.

BR: Würde man das Ausmaß des Klimawandels mit einer Uhr messen, wie spät wäre es dann?

MH: Wir sind es als Flughafen gewohnt, immer verschiedene Zeitzonen mitzudenken. Allein deswegen kann ich mit der Deadline-Metapher nicht so viel anfangen. Dass die meisten Länder der Erde das Rennen gegen den Klimawandel nicht aufgeben, zeigt das Pariser Klimaschutzabkommen sehr eindeutig. Auch die Fridays for Future-Bewegung zeigt mir, dass unsere Gesellschaft das Thema aufgegriffen hat. Ich bin optimistisch!

BR: Bekommen wir es trotzdem hin?  

MH: Wenn wir uns anstrengen, sicher. Allein beim Blick auf den Luftfahrtsektor fällt auf, dass ein Paradigmenwechsel helfen kann. Klimaschutz im Luftverkehr klingt erstmal paradox, werden Sie jetzt denken. Klar ist: durch das weltweit drastisch gewachsene Fluggastaufkommen in den letzten Jahren sind auch die Emissionen gestiegen. Dabei ist Fliegen heutzutage generell schon viel effizienter und spart erheblich Treibstoff gegenüber vorangegangenen Dekaden. Das gelingt uns vor allem durch den technischen Fortschritt, wie effizientere Antriebe und bessere Aerodynamik. Auch durch eine höhere Passagierauslastung, optimierte Ladungen und Sinkflüge ist es gelungen, den Treibstoffverbrauch pro Person und 100 Kilometer seit 1990 um 42 Prozent zu senken.

Das Ziel muss aber sein, CO2-neutral zu fliegen und zwar mit nachhaltig erzeugten Treibstoffen sowie Energie aus erneuerbaren Quellen. Komplett neuartige Flugzeugkonzepte werden dabei auch eine Rolle spielen.

Dennoch bleibt der Weg zum CO2-neutralen Flug eine riesige Herausforderung. Als Flughafenbetreiber reduzieren wir mit einer eigenen Klimastrategie die Einflüsse des Flughafenbetriebs am Boden auf die Umwelt. So reduzieren wir bis zum Jahr 2030 den CO2-Ausstoß auf 50 Prozent des Wertes von 2010 und diesen nach und nach weiter, um unsere Infrastruktur bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu betreiben.

BR: Herr Halberstadt, haben Sie vielen Dank für diese spannenden Einblicke, Ihr Engagement für einen grüneren Luftverkehr und natürlich für Ihre Zeit!

 

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