Duschen, Zähne putzen, kochen oder Wäsche waschen: Ganz selbstverständlich läuft bei uns das Wasser aus dem Hahn. Dabei ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser nicht überall auf der Welt eine Selbstverständlichkeit. Während unsere Erde zwar zu zwei Dritteln mit Wasser bedeckt ist, sind davon lediglich drei Prozent Süßwasser. Jeder Deutsche verbraucht durchschnittlich 127 Liter Wasser – am Tag! Davon entfallen über 34 Liter allein auf die Nutzung der Toilettenspülung. Und obwohl das Umweltbewusstsein der Deutschen in den letzten Jahren gestiegen ist, hat der Wasserverbrauch seit 2003 einen neuen Höchstwert verzeichnet. Dabei ist Wasser viel zu wertvoll, um es nur einmal zu nutzen. Warum Abwasser eine kostbare Ressource ist und wie durch Abwasseraufbereitung bereits heute Rohstoffe gespart werden können, erfahren Sie in diesem Artikel.

Abwasser ist nicht gleich Abwasser

Grauwasser im HaushaltGrundsätzlich ist Abwasser für viele ein Thema, mit dem man sich nicht gerne beschäftigen möchte – ganz nach dem Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“. Um jedoch zu verstehen, warum Abwasser wertvoll ist und wie es wiederverwendet sowie recycelt werden kann, lohnt sich ein Blick in die Zusammensetzung:

Abwasser ist laut Definition das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch entstehende Schmutzwasser (§ 54 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz). Auch Niederschlagwasser, das auf bebaute, versiegelte Flächen fällt und damit nicht auf natürliche Weise im Boden versickern kann, muss über Kanalisationen abgeleitet werden und gehört damit zum Abwasser. Durch undichte Abwasserkanäle und abgeleitetes Bach- oder Drainagewasser gelangt aber auch Grund- und Oberflächenwasser in die Kanalisation. Dieses sogenannte „Fremdwasser“, das eigentlich nicht in Kläranlagen behandelt werden müsste, macht im Gesamtvolumen des Abwassers mehr als ein Fünftel aus.

Zusammensetzung Abwasser in Deutschland

Neben der Unterscheidung in Schmutz-, Niederschlags- und Fremdwasser wird das häusliche Schmutzwasser noch einmal unterteilt: nämlich in das sogenannte Grau- und Schwarzwasser. Während es sich beim Schwarzwasser um das fäkalhaltige Abwasser aus Toiletten handelt, ist Grauwasser nur leicht verschmutzt. In Haushalten entsteht das Grauwasser beim Duschen und Baden, Hände- oder Wäschewaschen – und bietet damit viel Potenzial, um wiederverwendet zu werden (mehr dazu im Absatz „Rohstoff Abwasser: Eine kostbare Ressource“).

Abwasseraufbereitung in Deutschland

In Deutschland schreibt das Wasserhaushaltsgesetz vor, dass Abwasser nicht ungeklärt in Flüsse oder Seen fließen darf und Schadstoffe nach Stand der Technik reduziert werden müssen. Mit biologischen, chemischen und mechanischen Behandlungsverfahren werden Feststoffe aus dem Abwasser herausgelöst. In chemisch-physikalischen Anlagen (kurz „CP-Anlagen“), wie es sie auch bei Berlin Recycling gibt, werden Abwässer mit Beimischungen aus Ölen, Fetten und Schwermetallen vor der Einleitung in das öffentliche Kanalnetz behandelt, um Schadstoffe abzutrennen.

KläranlageIn Berlin gibt es sechs Großklärwerke der Berliner Wasserbetriebe, bundesweit sind es knapp 10.000 Abwasserbehandlungsanlagen und 8.000 kommunale Abwasserentsorgungsunternehmen. Ziel der Abwasseraufbereitungsanlagen ist die Wiederherstellung einer natürlichen Wasserqualität, indem die enthaltenen Inhaltsstoffe beseitigt werden. Diese unterscheiden sich in:

  1. Zehrstoffe wie Harnsäure und Glukose
  2. Nährstoffe wie Stickstoff- und Phosphorverbindungen
  3. Schadstoffe wie Gifte, Schwermetalle, synthetische Substanzen, Pilze, Viren, Bakterien
  4. Störstoffe wie Sand, Salze, Fette und Öle

Laut dem Bundesumweltministerium ist Deutschland europaweit Spitzenreiter in der Aufbereitung von Abwasser: 96 Prozent des Abwassers aus privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen wird bereits in Kläranlagen geleitet und gereinigt.
Aber: Im weltweiten Durchschnitt werden Schätzungen zufolge weniger als 20 Prozent des Abwassers in irgendeiner Form behandelt. Heißt: ca. 80 Prozent des Abwassers auf der Welt gelangen ungeklärt wieder in die Umwelt.

Warum die Abwasseraufbereitung immer wichtiger wird

Gelangt unbehandeltes Abwasser in Flüsse oder Seen, hat dies fatale Folgen für Mensch und Umwelt. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation werden jährlich 1,5 Millionen Todesfälle durch ungeklärtes Abwasser verursacht. Zudem zerstören die im Abwasser enthaltenen, oftmals giftigen Stoffe ganze Ökosysteme und ihre Lebewesen.

AbwasserrohrDie richtige Abwasserreinigung ist daher lebenswichtig. Warum ist das aber trotzdem häufig noch nicht der Fall? Weil die Wiederverwertung von Abwasser vielerorts noch zu teuer ist. Hinzu kommt, dass es vielen Ländern an der nötigen Infrastruktur fehlt. „Während ein großes Kanalisationssystem für eine Großstadt Sinn macht, ist in einem dünn besiedelten Gebiet vielleicht ein dezentrales System wie ein Klärteich effizienter.“ (Stefan Uhlenbrook, UNESCO).

Wassergewinnung sowie Abwasserbehandlung sind globale Herausforderungen, die sich angesichts von steigendem Wassermangel und -verbrauch zunehmend verstärken werden. Denn neben steigenden Temperaturen, Dürren und Wüstenausbreitungen steigt auch der Wasserverbrauch weltweit jährlich um etwa ein Prozent.

Rohstoff Abwasser: Eine kostbare Ressource

Dass Abwasser nicht nur schädlich ist, sondern auch nützlich sein kann, beweisen diese drei Beispiele der Wiederverwendung:

Grauwasser: Zweimal verwenden und sparen

Grauwasser, das beim Duschen oder Händewaschen entsteht, ist viel zu schade, um direkt in der Kanalisation zu landen. Denn sogenannte Grauwasseranlagen ermöglichen die Wasseraufbereitung innerhalb eines Hauses. Und das funktioniert so:

  1. Das genutzte Wasser aus Badewanne, Dusche oder Waschbecken fließt über ein getrenntes Rohrnetz zur Grauwasseranlage im Keller.
  2. In der Grauwasseranlage wird das Wasser gefiltert und gereinigt. Grober Schmutz gelangt direkt in die Kanalisation.
  3. Das gereinigte (frühere Grau-) Wasser wird über ein eigenes Rohrnetz erneut zu den Anwohnern geleitet und kann für Toiletten, Waschmaschinen oder zur Gartenbewässerung genutzt werden. Das Wasser für Badewanne, Dusche oder Waschbecken wird über das normale Rohrnetz mit frischem Trinkwasser versorgt.

Grafik Grauwasseranlage

Die Aufbereitung von Grauwasser ermöglicht es, kostbares Trinkwasser zu sparen und gleichzeitig die Abwassergebühren zu senken.

Grauwasser bietet aber noch ein weiteres, großes Einsparpotenzial. Durch Wärmerückgewinnung ist es möglich, dass das Grauwasser frisches Kaltwasser bereits vorwärmt. So können zum Beispiel allein beim Duschen bis zu 63 Prozent Energie gespart werden. Ein Unternehmen, das die Wärmerückgewinnung durch Grauwasser ermöglicht, ist das nachhaltige Startup „Joulia“.  Laut Untersuchungen könnte es bald sogar schon möglich sein, dass 10-20 Prozent aller Gebäude in Deutschland durch Abwasserwärmenutzung versorgt werden können. Denn selbst in der Kanalisation ist das Abwasser noch bis zu 20 Grad warm.

Phosphor: Vom Abwasser zum Düngemittel

Abwasser enthält nicht nur Schadstoffe, sondern auch nützliche Stoffe wie Phosphor und Stickstoff. Bei der Aufbereitung von Abwässern werden diese bislang aber meist noch eliminiert. Dabei importiert Deutschland jährlich mehrere hunderttausend Tonnen Phosphor, das als Düngemittel zum Einsatz kommt. Die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwässern und Klärschlamm ist mit der Klärschlammverordnung (AbfKlärV) künftig jedoch Pflicht.

Ziel ist es, den in Klärschlamm enthaltenen Phosphor wiederzugewinnen, um ihn zur Düngung in der Landwirtschaft und im Landschaftsbau einzusetzen. Bislang wird dieser noch zu zwei Dritteln verbrannt.

Abwasser = Trinkwasser?

TrinkwasserVor einigen Wochen hat ein ungewöhnliches Projekt für Aufmerksamkeit gesorgt: Ausgerechnet für Bier, dessen Reinheitsgebot in Deutschland seit über 500 Jahren Anwendung findet, wurde gereinigtes Abwasser zur Herstellung verwendet. „Reuse Brew“ wurde gemeinsam vom Wassertechnologie-Unternehmen Xylemin in Kooperation mit den Berliner Wasserbetrieben und dem Kompetenzzentrum Wasser Berlin entwickelt. 1.000 Flaschen und einige Fässer wurden aus recyceltem Wasser „nach allen Regeln der deutschen Braukunst gebraut“. Ziel des Projektes war jedoch nicht der Markteintritt in den Handel, sondern die Aufklärungsarbeit dahinter – nämlich, dass Abwasser in Deutschland bereits so gut aufbereitet wird, dass es genießbar ist. Während die Vorstellung hierzulande eher noch auf Skepsis trifft, zeigt Singapur bereits, dass Trinkwasser aus Abwasser durchaus möglich ist. 30 Prozent des Wasserbedarfs werden in dem Stadtstaat bereits über recyceltes Abwasser gedeckt. Und auch die NASA macht es vor: Seit 2009 verwandelt die Wasser-Recyclinganlage an Bord der Internationalen Raumstation ISS Urin in klares Trinkwasser…die Abwasseraufbereitung macht’s möglich!

 

Haben wir es geschafft, Ihnen das Thema Abwasser weniger befremdlich erscheinen zu lassen? Haben Sie Tipps, wie Sie privat oder im Unternehmen (Ab-)Wasser sparen, um damit dem steigenden Verbrauch entgegenzuwirken? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare! 

 

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