Der Trend zur Verstädterung sorgt dafür, dass grüne Gebäude immer wichtiger werden. Denn neben der steigenden Feinstaubbelastung schränken die vielen, versiegelten Flächen und die Abwärme von Industrie und Verkehr die Windzirkulation ein. Das Ergebnis: starke Hitzebelastungen, die sich angesichts des Klimawandels in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen werden. Um diesen Effekten entgegenzuwirken, werden weltweit immer mehr nachhaltige Gebäude entworfen und gebaut. Wir stellen Ihnen zehn dieser besonderen, grünen Architekturprojekte vor, die dafür sorgen sollen, dass wir auch in einer Großstadt mit ausreichend frischer Luft und Grün zur Erholung versorgt werden.

Was macht grüne Gebäude besonders?

Meist lassen sich die nachhaltigen Häuser schon von außen und aus der Ferne an ihren begrünten Fassaden, Dächern, Balkonen und Terrassen erkennen. Denn durch die Bepflanzung können Gebäude dazu beitragen, dass Hitze reduziert und Luftfeuchtigkeit erhöht wird. Außerdem unterstützen die bepflanzten Wände die Sauerstoffproduktion und dienen als natürlicher Lärm- und Sichtschutz.
Aber nicht nur Pflanzen allein, sondern die gesamte Form und Funktion eines Gebäudes muss zahlreiche ökologische, ökonomische und soziale Faktoren erfüllen, damit es sich nachhaltig nennen kann, darunter z.B.

  • die Nutzung erneuerbarer Energien
  • eine effiziente, flächensparende Bauweise
  • die Verwendung von nachhaltigen Baumaterialien
  • eine möglichst lange Lebensdauer
  • geringe Auswirkungen auf die Umwelt (z.B. durch „Cradle to Cradle“ im Bauwesen)

Darüber hinaus geht es bei grüner Architektur nicht nur um die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien. Wie Gebäude selbst zu einer grüneren Umwelt beitragen können und wie dies großflächig und weltweit umsetzbar ist, ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Denn rund 40 Prozent der Endenergie und 30 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen entfallen allein auf den Gebäudesektor.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten, ökologischen Gründe für nachhaltiges Bauen?

Statistik ökologische Gründe für nachhaltiges Bauen

Befragung von 2.078 Architekten, Ingenieure, Bauunternehmer, Eigentümer, Spezialisten, Investoren aus den Ländern Australien, Brasilien, China, Deutschland, Indien, Irland, Kanada, Kolumbien, Mexiko, Norwegen, Polen, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika, Spanien, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigtes Königreich, USA, Vietnam.

Quelle: statista.de

Was ist „biophilic design“?

biophilic designBiophilic design, auch biophile Gestaltung genannt, ist ein Konzept aus Architektur und Innendesign. Es integriert die Natur in ein Gebäude, stellt eine Verbindung zu ihr her oder imitiert sie. Das kann bedeuten, eine Fassade oder das Dach zu bepflanzen, Springbrunnen im Gebäude zu installieren und natürliche Baumaterialien wie Holz zu verwenden.
Auch folgende Aspekte gehören zum biophilic design:

  • Natürliches Licht
  • Aussicht in die Natur oder einen Park
  • der Natur nachempfundene Temperatur- und Lichtschwankungen
  • Viel Grün und Bilder von Tieren und Pflanzen in der Inneneinrichtung

Gebäude, die in biophilic design entworfen oder eingerichtet sind, punkten nicht automatisch, aber häufig auch bei der Nachhaltigkeit. Umgekehrt sind grüne Bauten nicht zwangsläufig, aber meist biophil designt.
Biophilic design ist kein gesicherter Begriff. Es ist ein Konzept, dem 14 Prinzipien zugrunde liegen, wie das Beratungsunternehmen Terrapin Bright Green spezifiziert hat. Ein Gebäude muss zwar nicht alle Prinzipien erfüllen, um als biophilic designed zu gelten. Es genügt jedoch nicht, eine Wand grün zu streichen und ein paar Pflanzen davorzustellen. Der Naturbezug sollte im Konzept der Architektur und Einrichtung integriert sein.
Den Begriff selbst hat ein Wissenschaftler-Team um Stephen R. Kellert geprägt. Kellert ist Sozialökologe und forscht an der amerikanischen Universität Yale zum Verhältnis der Menschen zur Natur.

 

Grüne Architektur – Beispiele für urbane Oasen

Bei der Recherche nach grünen Gebäuden findet man viele Visionen und Illustrationen, die darstellen, wie wir in Zukunft in grüneren Städten leben werden: Smarte Cities mit futuristischen, gläsernen Hochhäusern und grünen, bepflanzten Fassaden statt grauer Beton-Tristesse. Nachhaltige Gebäude sind aber schon längst keine Zukunftsmusik mehr. Tatsächlich gibt es auf der ganzen Welt bereits zahlreiche Projekte, die zeigen, wie wir schon heute umweltfreundlicher leben, arbeiten und wohnen können. Die Visionen der Zukunft spiegeln sich dabei bereits in der Gegenwart wider.

 

Hoch hinaus in Mailand: Bosco Verticale

Bosco Verticale in MailandDie wahrscheinlich bekanntesten Gebäude, an die man bei nachhaltiger Architektur denkt, sind die beiden begrünten Hochhaustürme des Architekten Stefano Boeri in Mailand. Das Projekt „Bosco Verticale“ steht für den vertikalen Wald, der im Norden von Mailands Zentrum zu finden ist. Hinter dem Namen verbergen sich zwei Wohntürme, die sich auf 87 Meter und 119 Meter Höhe erheben. Die Gebäudekomplexe sind aber nicht allein aufgrund ihrer Höhe ein besonderes Highlight im Stadtbild. Neben Beton und Glas bestehen die Hochhäuser nämlich aus rund 800 Bäumen und ca. 20.000 Sträuchern, die auf den Balkonen und Terrassen an allen vier Seiten der Wolkenkratzer gepflanzt wurden. Zusätzlich zu der Wohnfläche von 50.000 Quadratmetern, die sich auf die insgesamt 113 Apartments verteilen, verfügen die beiden Gebäude damit über 10.000 Quadratmeter Waldfläche.

20 verschiedene Baum- und 80 unterschiedliche Pflanzenarten wurden hierfür ausgewählt. Die Pflanzen mussten nicht nur besonders widerstandsfähig gegen Wind, sondern auch möglichst resistent gegen Schädlinge und einfach in der Pflege sein. Jede Etage der Wohntürme ist je nach Höhenstufe und Lichteinfall unterschiedlich bepflanzt – darunter zum Beispiel mit Zieräpfeln und Buchen sowie Lavendel und winterharten Kamelien. Bewässert wird der vertikale Wald durch ein eigenes Grauwasser-Filtersystem, für dass das Abwasser aus den Gebäuden entsprechend aufbereitet wird.

Die optisch schwebenden Gärten absorbieren Sonnenlicht, Staub sowie Straßenlärm und sorgen für ein angenehmes Wohnklima. Hierfür wurde das Projekt 2014 mit dem Internationalen Hochhauspreis ausgezeichnet und LEED Gold zertifiziert. Nach dem Vorbild der „Bosco Verticale“ entsteht in der Schweiz aktuell der 117 Meter hohe „Torre dei Cedri“ – der grüne Zedern-Wohnturm.

 

Grün, grüner, am grünsten: Nachhaltige Architektur in Singapur

Grüne Gebäude in SingapurIn dem Insel- und Stadtstaat Singapur leben über 5,7 Millionen Menschen auf engem Raum – und trotzdem gehört die Metropole zu einer der grünsten Asiens. Hier findet man nicht nur ein nachhaltiges Pilotprojekt, sondern trifft überall auf begrünte Häuser. Das tropische Klima und die wenigen, noch frei bebaubaren Flächen waren bereits vor einigen Jahren Auslöser dafür, dass Architekten und Stadtplaner an neuen, grüneren Konzepten tüftelten.

Singapur selbst versteht sich seither als „Stadt im Garten“. Ziel der Regierung ist es, dass die Wolkenkratzer bis 2030 mit 200 Hektar Grün bepflanzt sind. Dafür wurden entsprechend strenge Bauauflagen beschlossen. So muss jeder Quadratmeter Grünfläche, der durch einen Neubau verloren geht, an anderer Stelle des Gebäudes nachbepflanzt werden. Außerdem gibt es eine eigene Zertifizierung, die jedes neue Gebäude erhalten muss – denn ohne grünes Label gibt es keine Baugenehmigung.

Die grünen Wolkenkratzer in Singapur sollen nicht nur das Klima, sondern auch die Lebensqualität der Bewohner verbessern und dafür sorgen, dass sich die Menschen wohlfühlen und nicht wegziehen wollen.

„Eine Herausforderung ist es, sicherzustellen, dass das Grün nicht nur schön aussieht. Es muss einen Nutzen haben und es muss zugänglich sein, damit Menschen sich daran erfreuen können.“

(Pearl Chee, Geschäftsführerin des Architektur-Büros WOHA über die grünen Bauten in Singapur)

Singapur Gardens by the BayEinige der Hochhäuser können bereits Solarenergie und Wasser gewinnen. Dank der ökologischen Häuser soll der Energieverbrauch sinken und Klimaanlagen, die wahre Stromfresser sind, schon bald der Vergangenheit angehören.

Neben den Wolkenkratzern grünt es aber auch an anderen Stellen in der Stadt: neun Prozent des Stadtgebietes wurden für Parks und Naturreservate freigehalten. Diese Flächen sollen in den nächsten Jahren miteinander verbunden werden, sodass die Bewohner überall im Grünen spazieren gehen, joggen oder Fahrrad fahren können.

 

Natur trifft auf Beton: das ACROS Fukuoka und seine vertikalen Gärten

 Im Süden Japans, auf der Insel Kyushu, befindet sich die ACROS Fukuoka Prefectural International Hall – ein 14-stöckiges Gebäude mit Büros, Messehalle, Museum und Konferenzräumen. Besonders sind aber die reich bepflanzten Terrassen, welche die Immobilie zu einer grünen Oase machen. Mit ungefähr 120 Pflanzenarten und über 35.000 einzelnen Pflanzen verbessert sie die Luftqualität und dient als idyllischer Rückzugsort für Einwohner und Besucher. Zusätzlich wirkt die reichhaltige Bepflanzung als natürliche Klimaanlage, die die Temperaturen in der Umgebung reguliert und so zu einem angenehmen Mikroklima beiträgt.

Fukuoka nachhaltiges GebäudeDie Grünanlagen sind für die Öffentlichkeit zugänglich und bieten in den oberen Stockwerken einen Panoramablick über die Stadt, während im Erdgeschoss ein direkter Zugang zu den angrenzenden Parkanlagen ermöglicht wird. Die Konferenzräume im Inneren des Gebäudes regen die Besucher dazu an, sich mit Nachhaltigkeitsprinzipien zu beschäftigen, den Ideenaustausch zu fördern und ein tieferes Verständnis für ökologische Zusammenhänge zu erlangen.

Der argentinisch-amerikanische Architekt Emilio Ambasz verwirklicht mit dem Bauwerk eine Vision, die er 'Green-Over-Gray' nennt. Bei diesem Konzept schafft er durch die Integration üppiger Grünflächen und einer nahtlosen Verbindung zu umliegenden Erholungsflächen eine grüne Oase inmitten der sonst betongrauen Innenstadt.

Ein ausgeklügeltes Wassermanagementsystem sammelt Regenwasser, um die vielfältigen Pflanzen der Gärten zu bewässern. Durch eine gezielte Auswahl von Pflanzenarten wird die lokale Flora und Fauna unterstützt und eine Erhöhung der Biodiversität vorangetrieben. Die Gärten dienen auch als Grundlage für umweltwissenschaftliche Studien, die wertvolle Erkenntnisse für die nachhaltige Stadtentwicklung liefern.

Gebäude wie das ACROS Fukuoka zeigen, wie eine zukunftsorientierte Bauweise die Lebensqualität in der Stadt steigert, zum Umweltschutz beiträgt und die biologische Vielfalt in Städten steigern kann.

 

Holzhochhäuser der Superlative: HoHo in Wien und Mjøstårnet in Brumunddal

HolzhausHolz ist ein nachwachsender Rohstoff, kommt in unserer Region in großer Menge vor und kann leicht recycelt oder wieder verwendet werden. Es ist damit der nachhaltigste Baustoff, den wir kennen. Nachdem er Jahrhunderte lang vornehmlich für den Bau kleinerer Häuser zum Einsatz kam, lassen Baufirmen weltweit damit immer häufiger Hochhäuser in den Himmel wachsen. Das höchste Holzgebäude des Planeten steht – zumindest derzeit noch – in Europa. Ob der Titel dem HoHo in Wien oder dem Mjøstårnet in Brumunddal gebührt, darüber sind sich Expertinnen und Experten uneinig. Beide Bauprojekte haben überzeugende Argumente auf ihrer Seite.
Mjøstårnet ist, inklusive einer Balkenkonstruktion auf dem Dach, 85,4 Meter hoch. Das Gebäude liegt malerisch am Ufer des Mjøsa Sees, rund 150 Kilometer nördlich von Oslo, und wurde 2019 fertiggestellt. Wohnungen, Büros, Gastronomie und ein Hotel verteilen sich auf 18 Stockwerke. Das Bauwerk besteht komplett aus Brettsperrholz, das Holz stammt aus lokalem Anbau. Auch in der Innenausstattung ist viel Holz erkennbar. Aus Sicherheitsgründen ist an dem Gebäude eine spezielle brandhemmende Verkleidung angebracht. Denn so nachhaltig Holz auch ist – der Brandschutz ist eine Herausforderung bei Holzhochhäusern. Das Trondheimer Architekturbüro Voll Arkitekter hat das Gebäude entworfen. Die Idee stammt von dem norwegischen Investor Arthur Buchardt.
HoHo HausDas Wiener Holzhochhaus HoHo steht im 22. Wiener Bezirk und damit in urbanem Umfeld. Es ist „nur“ 84 Meter hoch und besteht lediglich zu 75 Prozent aus Holz. Dieses stammt aus der Region. Teile des Gebäudes sind der Statik, des Brandschutzes und des Schallschutzes wegen aus Beton gefertigt. Dies ist deutlich sichtbar, genau wie das Holz. Das gilt für außen wie für innen: Um das natürliche Feeling des Holzes zu transportieren, wurden die Decken und Wände innen größtenteils nicht tapeziert oder gestrichen. Die Idee für HoHo stammt von der Wiener Bauunternehmerin Caroline Palty. Entworfen hat das Gebäude das Architekturbüro Rüdiger Lainer + Partner. Es wurde ebenfalls 2019 fertiggestellt.
Offiziell ist Mjøstårnet das höchste Holzhaus der Welt. Die Österreicher monieren allerdings, dass dies nur an der Balkenkonstruktion auf dem Dach liegt. Mit Blick auf den nutzbaren Teil des Hauses ist HoHo höher. Schon in wenigen Jahren wird der Rekord für das höchste Holzhochhaus voraussichtlich sowieso an ein anderes Bauwerk gehen. In Sydney ist ein 180 Meter hohes Holzhaus geplant.

 

Grüne Architektur als Mitarbeitermotivation: Die Amazon Spheres in Seattle

Amazon Spheres in SeattleEin weiteres nachhaltiges und innovatives Bauprojekt stammt von dem US-Riesen Amazon. Der Online-Versandhandel hat 2018 in Seattle seinen Firmencampus mit den „Amazon Spheres“ erweitert. Hierbei handelt es sich um drei riesige Kugeln, die aus tausenden, mit Stahl eingefassten Glaspanelen erbaut wurden und seither Cafeteria, Büros und Gemeinschaftsflächen für die Firmenmitarbeiter beherbergen.

Aber nicht nur von außen sind die Spheres ein besonderes Highlight: Im Inneren der kugelförmigen Wintergärten findet man über 40.000 seltene Pflanzen. 300 verschiedene Pflanzenarten aus mehr als 50 Ländern wurden hierfür bepflanzt. Allein die Planung der Konstruktion hat dabei über vier Milliarden Dollar verschlungen. Damit sich die Ausgaben rentieren, sind die Amazon-Mitarbeiter dazu angehalten, möglichst viel Zeit in den Glaskuppeln zu verbringen – zum Beispiel durch Nutzung der Tagungsräume, die als Baumhäuser in die grüne Landschaft integriert wurden. Neben den zahlreichen Pflanzen runden Flüsse und Wasserfälle den Urwald inmitten der Großstadt ab und sorgen für ein angenehmes Klima. Innenaufnahme Amazon SpheresUm der Stadt-Gemeinschaft Genüge zu tun, haben auch Schulen und Universitäten Zutritt, um die verschiedenen, seltenen Pflanzen studieren zu können.

Warum Amazon-Chef Jeff Bezos aber überhaupt diesen Aufwand für ein Bürogebäude betrieben hat? Studien haben belegt, dass Räume, die viele Pflanzen und naturähnliche Elemente besitzen, die Kreativität anregen und sogar die Gehirnfunktion verbessern. Bezos erhofft sich also durch diese angenehme Umgebung die Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter erhöhen zu können und das Online-Imperium weiterauszubauen.

 

Amazons HQ2: Doppelhelix für Natur und Community

Amazons HQ2Amazon möchte auch an einen zweiten Standort architektonisch neue Maßstäbe setzen. In Arlington im Bundesstaat Virginia, ganz in der Nähe von Washington, plant der Konzern eine zweite Zentrale, HQ2. Sie soll im Zeichen von Natur und Nachhaltigkeit stehen. Geplant ist ein Komplex aus vier Gebäuden: drei klassischen Bürogebäude und eine gläserne, üppig bepflanzte Doppelhelix. Der außergewöhnliche Bau, der im Zentrum des Komplexes stehen soll, schraubt sich 107 Meter in die Höhe. Darauf befinden sich 2,5 Hektar bepflanzter Freifläche, die für die Öffentlichkeit zugänglich sein und als Erholungsort für die Mitarbeiter dienen soll. Die Büros sind auf einer Fläche von 260.000 Quadratmetern in den drei übrigen Gebäuden untergebracht. 25.000 Menschen sollen hier arbeiten.
Fahrzeuge wird es auf dem ganzen Gelände keine geben, diese werden unterirdisch fahren. Der Komplex arbeitet komplett mit erneuerbaren Energien, die Bürogebäude sollen mit dem LEED Platinum Standard zertifiziert werden. HQ2 soll also nicht nur ein Gebäude im biophilic design, sondern auch ein nachhaltiges Gebäude werden.
Die Entwürfe stammen von dem Architekturbüro NBBJ, das auch die Zentrale in Seattle geplant hat. Aktuell ist das Projekt aber noch Zukunftsmusik: Eine Baugenehmigung lag im Februar 2021 noch nicht vor. Läuft alles wie geplant, soll der Bau 2022 starten. Bereits drei Jahre später soll der Komplex fertig sein.
Trotz der Nachhaltigkeit des geplanten Gebäudes stoßen die Pläne von Amazon auch auf Kritik. Kritische Stimmen monieren, dass der Konzern an seinen Standorten die Mieten und Preise in die Höhe treibt und gleichzeitig kaum Steuern zahlt. Ursprünglich wollte Amazon eine Zentrale im New Yorker Stadtteil Queens bauen. Nach Protest von Bewohnern und Verwaltung sah der Online-Händler jedoch davon ab.

 

Europas größte Grünfassade: Die Kö-Bogen II in Düsseldorf

Auch in Deutschland sind wir im Bereich der nachhaltigen Architektur schon weit gekommen. So nutzen wir begrünte Dächer, Solarzellen sowie fortschrittliche Dämmstoffe und haben eigene Zertifizierungen für besonders nachhaltige Immobilien. Ein Immobilienunternehmen ist in Düsseldorf noch einen Schritt weitergegangen und hat an seinem Leuchtturmprojekt Kö-Bogen II sämtliche Fassaden und Dächer des neuen Einkaufzentrums bepflanzt.

Kö-Bogen II in DüsseldorfDen Besuchern stehen künftig 25.000 Quadratmeter Fläche mit diversen Einzelhandel- und Gastronomie-Angeboten und dem riesigen, begrünten „Ingenhoven-Tal“ zur Verfügung. Für ein Gebäude dieser Größe wurden 8 Kilometer Hainbuchen-Hecken zur Bepflanzung benötigt – das entspricht 30.000 einzelnen Pflanzen, die das Gebäude wie einen grünen Hügel aus der Umgebung hervorstechen lassen und einen etwas surrealen Anblick bieten.

Diese einzigartige Begrünung sorgt dafür, dass eine Menge CO2 sowie Feinstaub gebunden wird und die Umgebung durch Verdunstung des Wassers angenehm kühl bleibt. Ohne die Begrünung würde sich an sonnigen Tagen Wärme von bis zu 70 Grad an der Fassade entwickeln, die laufend an die Umgebung abgegeben wird. Der Kö-Bogen II erzeugt somit denselben ökologischen Effekt wie 80 ausgewachsene Laubbäume. Zusätzlich zu der einzigartigen Bepflanzung musste für den Bau eine viel befahrene Straße weichen, die nun unterirdisch verläuft. Der neugewonnene Platz bietet Spaziergängern Grünflächen und Sitzmöglichkeiten zum Entspannen und Verweilen.

Die ersten Geschäfte haben im Sommer 2020 eröffnet, die komplette Fertigstellung des Bauvorhabens steht 2021 bevor. Das Projekt steht neben dem Schauspielhaus sowie dem Dreischeibenhaus und komplettiert nun die touristische Sogwirkung des Düsseldorfer Kiezes.

 

The Edge: Intelligente Architektur in Amsterdam

Die Büroimmobilie „The Edge“ in Amsterdam wird als nachhaltigstes Gebäude der Welt gehandelt und bietet eine Vielzahl fortschrittlicher Technologien, um die Umwelt zu schonen und den Mietern den Alltag zu erleichtern. Auf 40.000 Quadratmetern und 15 Stockwerken sorgen rund 28.000 Sensoren für das Wohlbefinden jedes einzelnen Nutzers. Seit der Fertigstellung im Jahr 2014 konnte es zahlreiche Preise für Nachhaltigkeit und innovatives Design sichern und erhielt zwischen 2014 und 2016 die höchste jemals vergebene Bewertung beim BREEAM-Zertifikat für nachhaltige Gebäude in Europa.

Die Glasfassade fügt sich nahtlos in das moderne Stadtbild des Zuidas-Viertels ein und spielt eine zentrale Rolle im Energiekonzept des Gebäudes. So wird, neben obligatorischen Solarzellen, ein Großteil des Energiebedarfs mithilfe einer Flüssigkeit erzeugt, die zwischen den doppelt verglasten Fenstern untergebracht wurde, ohne die Durchsichtigkeit zu beeinträchtigen.

Zur Regulierung der Innentemperatur greift The Edge auf das sogenannte Aquifer-Thermal-Energy-Storage-System (ATES) zurück. Hierbei wird in den Sommermonaten Wasser in porösen Gesteinsschichten, sogenannten Aquifern, mit Sonnenenergie erwärmt, um im Winter als Wärmemittel zu dienen. Im Sommer kann das so abgekühlte Wasser zur Kühlung der Räume verwendet werden. Dieses System trägt dazu bei, dass The Edge 70 Prozent weniger Energie verbraucht als herkömmliche Bürogebäude.

Auch bei der Beleuchtung haben sich die Architekten nicht davor gescheut, neue Wege zu gehen. So wird das gesamte Gebäude mit sparsamen LED-Leuchten erhellt, die über die ohnehin verlegten Internetkabel versorgt werden. Das alleine ist nicht weltbewegend, allerdings sind die LED-Panele mit Sensoren ausgestattet, um Lichtverhältnisse, Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu erfassen und an aktuelle Außenverhältnisse sowie individuelle Präferenzen der Anwesenden anzupassen. In ungenutzten Bereichen spart das System Strom, indem es Beleuchtung sowie Klimatisierung drosselt.

Gesteuert werden alle Funktionen über eine App, die die Vorlieben jedes Mitarbeiters speichert und an das System der Immobilie kommuniziert, um einen reibungslosen Tagesablauf zu gewährleisten. So reserviert das System schon bei der Anfahrt den optimalen Parkplatz, sorgt dafür, dass der Aufzug ihn ohne große Wartezeit zu seinem Stockwerk befördert, kocht seinen Lieblingskaffee und weist ihm einen Schreibtisch zu. Um nämlich leere Arbeitsplätze bei Homeoffice, Urlaub, Krankheit oder einfach variierenden Arbeitszeiten zu vermeiden, gibt es keine feste Sitzordnung. Diese nachhaltige App sorgt allerdings dafür, dass Lichteinstellungen, Temperatur usw. konstant bleiben, damit sich jeder Arbeitsplatz wie der vorherige anfühlt.

Insgesamt ist The Edge darauf ausgerichtet, ein gesundes und produktives Arbeitsumfeld zu schaffen. Ein großzügiges Atrium sorgt zudem für viel Tageslicht und sorgt mit ausgeklügelter Ventilierung für eine gute Luftqualität, die zum Wohlbefinden der Mitarbeiter beiträgt. Natürliche Elemente in Verbindung mit fortschrittlicher Technologie erzeugen eine Atmosphäre, die Konzentration und Kreativität fördern sollen.

 

Architektonische Vision auf dem Rhein: Die Theodor-Heuss-Brücke als ökologisches Wohnprojekt

Theodor Heuss BrückeDie Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf wurde in den 1950er-Jahren als erste Schrägseilbrücke Deutschlands erbaut, gilt inzwischen jedoch als ausrangiert und baufällig. Um den Abriss der geschichtsträchtigen Struktur zu vermeiden, legten engagierte Architektur- und Immobilienunternehmen einen gemeinschaftlichen Entwurf zur ökologisch sinnvollen Umnutzung vor, der mit ungewöhnlichen Ideen zur Verschönerung des Stadtbildes beitragen kann.

Geplant ist, die bisher rein funktionelle Überbrückung des Rheins zu einem schwebenden Quartier umzufunktionieren, das mit 400 Wohneinheiten, Parkanlagen sowie Fuß- und Fahrradwegen zum Flanieren einlädt. Der unansehnliche Autoverkehr verläuft hingegen durch eine gummigefederte Röhre innerhalb der Brücke, um den Verkehrslärm zu dämpfen und Platz für Freizeitaktivitäten zu schaffen. Laut Konzept laden verschiedene Hotel- und Gastronomieangebote zum „Abhängen“ ein, während üppige Gemeinschaftsgärten dazu motivieren, mittels Urban Gardening eigene Lebensmittel anzubauen.

Für eine autonome und ressourcenschonende Energieversorgung sorgen Solarpaneele und Windturbinen, die vor allem im Mittelteil der Brücke durch die Windschneise des Flusses eine hohe Effizienz versprechen. Ob dieses Großprojekt umgesetzt wird, ist allerdings fraglich, da die Kosten auf etwa eine Milliarde Euro geschätzt werden. Trotzdem regt es zur Diskussion an und könnte als Inspiration für urbane Transformation und intelligente Wohnraumerweiterung dienen. Ganz neu ist die Idee jedoch nicht: Die berühmte Wohnbrücke „Ponte Vecchio“ in Florenz, diente als Vorbild und beweist, dass das Leben auf einer Brücke funktionieren und sogar als Touristenattraktion gelten kann.

 

Hive Project: Nachhaltig wohnen wie im Bienenstock

Hive ProjectWie wir nicht nur die Umwelt schützen, sondern auch so leben können, dass es allen Generationen gut geht, ist eine der größten Herausforderungen von Architektur und Stadtplanung. Der italienische Architekt Gianluca Santosuosso hat gemeinsam mit einem Team von Expertinnen und Expertin aus aller Welt eine Wohnform entwickelt, die diese Anforderungen erfüllt. Er hat sich dabei an der Form einer Bienenwabe orientiert. In seinem „HIVE Project“ hat er Häuser entworfen, die aus wabenförmigen Modulen zusammengesetzt sind.
Ein Gebäude besteht aus mehreren Waben, die zu Wohneinheiten zusammengefasst werden können. Jedes Modul hat einen kleinen Außenbereich, der zum Beispiel bepflanzt, als Terrasse oder auch für einen Bienenstock genutzt werden kann. Die Gebäude sind barrierefrei, es sind auch Gemeinschaftsflächen möglich. Alle Baumaterialien, die Santosuosso vorsieht, sind biologisch abbaubar. Sonnenlicht wird zu Beleuchtung und zur Stromgewinnung genutzt, Regenwasser aufgefangen, Abwasser gereinigt. Santosuosso und das Team und ihn herum haben sogar Ideen für eine komplette HIVE Project-Siedlung entwickelt, die sich autark mit Energie versorgen kann.  
Ziel des HIVE Project ist, dass die Menschen in Einklang und gleichberechtigt mit der Natur leben: Die Menschen sind in diesem Projekt keine privilegierten Lebewesen.

 

„Unser Ziel ist eine neue Ökologie des Ortes, bei der der Mensch das Ökosystem nicht schädigt, sondern seine Regeneration bereichert, unterstützt und in hohem Maße davon profitiert.“
Gianluca Santosuosso

Auch dieses biophile und nachhaltige Projekt ist derzeit jedoch nur Zukunftsmusik: Aktuell befindet sich (noch) kein HIVE Project im Bau.

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Jetzt sind Sie gefragt: Kennen Sie noch weitere grüne Architekturprojekte, die Ihnen auf Reisen oder im Urlaub begegnet sind? Haben Sie bereits in einem begrünten Haus gewohnt oder gearbeitet? Was ist Ihnen bei einem nachhaltigen Gebäude am wichtigsten? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare unter diesem Beitrag.

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Bildnachweise

© Vorschau- und Header-Bild: FrankBoston / stock.adobe.com

© Infografik Green Building: Statista / de.statista.com

© Biophilic Design: colnihko / stock.adobe.com

© Bosco Verticale: pierluigipalazzi / stock.adobe.com

© Singapur Parkroyal Hotel: Ivan Kurmyshov / stock.adobe.com

© Singapur Gardens by the Bay: Aldrin / stock.adobe.com

© Acros Fukuoka: yyama / stock.adobe.com

© HoHo Haus Innen: HoHo Haus / hoho-wien.at

© HoHo Haus Außen: HoHo Haus / hoho-wien.at

© Amazon Spheres Außenansicht: Mat Hayward / stock.adobe.com

© Amazon Spheres Innenaufnahme: Amazon / press.aboutamazon.com

© Amazon HQ2: nbbj / Amazon / press.aboutamazon.com

© Kö-Bogen II: Centrum Group / centrum-group.de

© Theodor-Heuss-Brücke Düsseldorf: Stephan Walochnik / stock.adobe.com

© Hive Project: Gianluca Santosuosso / gianlucasantosuosso.com