Lebensmittelabfälle schaden der Umwelt, verbrauchen wertvolle Ressourcen und kosten bares Geld – und trotzdem landen knapp 11 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich in deutschen Mülltonnen. Wann mussten Sie zum letzten Mal ein Lebensmittel entsorgen, weil es im Kühlschrank oder in der Obstschale bereits Schimmel gebildet hat? Häufig kaufen wir entweder zu viel oder die falschen Lebensmittel, können sie dann entweder nicht verwerten oder vergessen sie einfach. Um Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten zu vermeiden, gibt es aber eine Lösung: Die Foodsharing App UXA.
Wir haben mit Lisa Zvonetskaya, Gründerin von „Foodsharing UXA“ über Lebensmittelverschwendung, ihre App und Nachhaltigkeit gesprochen:
Lisa Zvonetskaya, Gründerin von „Foodsharing UXA“
Lisa hat 2017 – neben ihrem Job in der IT-Branche – „UXA - die Foodsharing App“ herausgebracht und das gleichnamige Unternehmen UXA Foodsharing gegründet. Die Kernidee: Mit der App können Menschen ganz leicht übrig gebliebene Lebensmittel an andere verschenken, anstatt sie wegzuschmeißen. Seit Launch nutzen mittlerweile über 30.000 Lebensmittelretter die App.
Berlin Recycling (BR): Lisa, wie kam es dazu, dass du UXA gegründet hast?
Lisa: Nach meinem Umzug nach Deutschland und dem Leben in einer Großstadt habe ich gemerkt, dass wir — auch ich selbst — viel zu viele Lebensmittel entsorgen. Und so suchte ich nach einer einfachen und bequemen Möglichkeit, um diese an andere Menschen abzugeben, die sie gebrauchen können. Ich wurde jedoch nicht fündig.
Und so entstand Anfang 2017 die Idee einer einfachen App, über die jeder mit einem Smartphone übrig gebliebene Lebensmittel kostenlos und jederzeit abgeben und abholen kann.
BR: Gab es zum Launch der App einen ersten Standort, an dem ihr das Konzept getestet habt?
Lisa: Wir haben UXA zeitgleich in Deutschland, Österreich und der Schweiz gelauncht. Auch heute wird die App in allen drei Ländern genutzt – bislang noch überwiegend in deutschen Großstädten und Studentenstädten, aber unser Ziel ist natürlich eine flächengreifende Verbreitung und Nutzung in allen Regionen.
BR: „UXA“ – hat die Abkürzung in eurem Firmennamen eine Bedeutung?
Lisa: UXA ist der Name einer sehr beliebten osteuropäischen Fischsuppe, die von allen möglichen Völkern gegessen wird und für die Menschen so wertvoll ist, dass sie diese lieber mit der Familie und Freunden teilen, als sie wegzuschmeißen. Aus dem Hintergrund ist der Name für meine App entstanden.
Per Knopfdruck Lebensmittel vor der Mülltonne bewahren
BR: Wie funktioniert Lebensmittelretten über eure App?
Lisa: Im Prinzip ganz einfach. Du fotografierst deine zu verschenkenden Lebensmittel und lädst das Foto inklusive einer kurzen Beschreibung in der App hoch. Über eine integrierte Chat-Funktion kann dann die Übergabe organisiert werden.
Die App (App Store) ist natürlich kostenlos und auch das Einstellen oder Abholen von Lebensmitteln ist ohne Kosten verbunden.
BR: In eurer App wird für Lebensmittel auch das Mindesthaltbarkeitsdatum abgefragt. Mittlerweile ist bekannt, dass viele Lebensmittel auch darüber hinaus noch lange Zeit genießbar sind. Kannst du uns als Expertin im Foodsharing verraten, welche Lebensmittel das zum Beispiel sind?
Lisa: Die Antwort ist oft einzelfallabhängig. Klar ist jedoch: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist ganz klar kein Verfallsdatum oder Ablaufdatum.
Verpackte und ungeöffnete Lebensmittel – sogar Milch und Wurstwaren – sind oft noch mehrere Tage nach MHD haltbar.
Eier können noch bis zu zwei Wochen später verwendet werden – allerdings lieber zum Kochen und Backen und nicht roh. Man kann auch ganz einfach einen Wassertest machen, wenn das rohe Ei im Glas mit Wasser sinkt, ist es noch gut, wenn es halb oder ganz an der Oberfläche schwimmt, dann sollten wir es lieber nicht mehr essen.
Mehl, Reis, Getreide, Kaffee oder Nudeln können meist mehrere Monate nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch gegessen werden, wenn sie trocken gelagert werden. Das gilt auch für Marmelade, Säfte, Bier und Wein.
Auf Verpackungen ausgewählter und lang haltbarer Lebensmittel, wie zum Beispiel bei Salz oder Zucker, muss aufgrund einer EU-Verordnung gar kein Mindesthaltbarkeitsdatum mehr stehen.
Die beste Regel ist natürlich, auf sein Gefühl und den gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Generell gilt riechen, anschauen und gegebenenfalls probieren, bevor man Essen wegschmeißt. Verdorbene Milchprodukte zum Beispiel lassen sich ganz leicht am Geruch erkennen. Auch Schimmel ist - abgesehen von manchen Käsearten - ein deutlicher Warnhinweis. Wer etwa auf einem Brot Schimmelpilze entdeckt, sollte es in jedem Fall komplett entsorgen. Bei Fleisch ist grundsätzlich der Geruch und das Aussehen ein wichtiger Hinweis für die Frische. Es sollte keinesfalls süßlich oder unangenehm riechen.
Lebensmittel verschenken ist gut für die Umwelt & den eigenen Geldbeutel
BR: Laut einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft landen in privaten Haushalten jedes Jahr Waren im Wert von 235 Euro in der Tonne. Hast du Tipps für unsere Leser, wie man Lebensmittelverschwendung von vornherein vermeiden kann – zum Beispiel beim Einkauf oder bei der Lagerung?
Lisa: Klar. Hier sind ein paar der wichtigsten Ideen für Privatpersonen, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden:
- Beim Einkauf entsprechend den Vorräten und den persönlichen Plänen für die folgenden Tage planen
- Lieber öfter mal kleine Mengen einkaufen und alles frisch zubereiten, als große Einkäufe für die ganze Woche zu tätigen
- Obst und Gemüse auch mal probieren bevor man einen Fehlkauf tätigt (grünes Obst, dass nicht nachreift, lieber liegen lassen, es wird nicht besser schmecken)
- Auch mal die einzelne Banane im Supermarkt mitnehmen
- Vor dem Verreisen den Kühlschrank und die Vorratskammer überprüfen: Hält wirklich alles, bis ich zurück bin oder kann ich vor der Reise etwas abgeben?
- Einmachen, einfrieren oder trocknen für eine längere Aufbewahrung
- Vor dem Wegschmeißen: anschauen, riechen, ggf. probieren – meistens ist auf unsere Sinne am besten Verlass
- In der Kantine die Tellerportionen nach dem eigenen Hunger anfragen
- Im Restaurant die Reste mitnehmen
BR: Bevor du einkaufen gehst: Checkst du zuvor immer die App, ob es gerade passende Produkte gibt?
Lisa: Nicht immer, aber wir schauen natürlich oft in die App, um unnötigen Konsum zu vermeiden. Manchmal hat man echtes Glück und der Nachbar hat zufälligerweise noch eine Milch abzugeben. Außerdem spielt der soziale Faktor neben der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung eine große Rolle. Man lernt über das Verschenken und beschenkt werden eine Menge neuer Menschen kennen – im Zweifel auch den Nachbarn, mit dem man vorher nicht viel Kontakt hatte. Also eine Win-Win-Win-Situation.
BR: Habt ihr Erhebungen darüber, in welcher Kategorie (Obst & Gemüse, Milchprodukte, Eier, etc.) die meisten Angebote eingestellt werden bzw. in welcher Kategorie es die meisten Gesuche gibt?
Lisa: Tendenziell wird in der App alles Mögliche eingestellt, überwiegend sind es aber verpackte Lebensmittel und Obst und Gemüse. Die einzige Voraussetzung ist, dass die Lebensmittel im guten Zustand und genießbar sein müssen.
BR: Wie viele Lebensmittel wurden bereits über UXA gerettet?
Lisa: Bislang wurden über 3.000 Übergaben über UXA getätigt – die Anzahl an Lebensmitteln pro Übergabe variiert jedoch stark. Einmal ist es der komplette Vorratsschrank und mal sind es „nur“ ein paar Schokoriegel.
BR: Nachhaltigkeit und Umweltschutz haben in den letzten Monaten einen viel größeren (medialen) Fokus bekommen. Spiegelt sich das auch in euren App-Nutzern wider?
Lisa: Definitiv, alleine schon durch das Interesse an UXA. Monatlich erfreuen wir uns an zweistelligen Wachstumsraten an Neuregistrierungen. Das zeigt, dass das Thema „nachhaltiger Umgang mit Lebensmitteln“ für immer mehr Menschen einen immer größeren Stellenwert hat.
Wir sehen aber auch an den Produkten, die in der App eingestellt werden, dass viele vermehrt vegetarische und vegane Produkte ausprobieren.
BR: Gibt es Möglichkeiten, wie man euch und die Verbreitung der App weiter unterstützen kann?
Lisa: Am besten kann man UXA bei der Verbreitung unterstützen, indem man die App selbst nutzt und Freunden, Familie, Kollegen und Nachbarn davon erzählt. Gerne kann man auch UXA über die sozialen Netzwerke weiterempfehlen, um andere Menschen für das Thema und UXA zu begeistern.
BR: Ein Blick in die Zukunft: Was wünscht ihr euch für UXA? Welche nächsten Meilensteine möchtet ihr gerne erreichen?
Lisa: Mein vorrangiges Zeil ist es, möglichst viele Menschen mit der Mission zu erreichen und zum Umdenken zu bewegen. UXA soll dabei helfen und die einfachste Möglichkeit bleiben, Lebensmittel zu retten. Am Ende ist es so: je mehr Menschen UXA nutzen, desto mehr Lebensmittel werden gerettet.
Darüber hinaus möchte ich, dass UXA sich bald selbst tragen kann, um auch langfristig zu bestehen. Also arbeite ich an einem nachhaltigen Geschäftsmodell, was mir dabei helfen soll, die App für unsere Nutzer weiter zu verbessern.
BR: Dafür wünschen wir dir viel Erfolg und danken dir, dass du dir die Zeit genommen hast, uns von UXA zu erzählen! Wir sind gespannt darauf, wie sich die App weiterentwickelt – und werden heute gleich selbst die Chance nutzen, Übriggebliebenes über UXA einzustellen.
Und jetzt sind Sie gefragt: Wie finden Sie die Idee, übriggebliebene Lebensmittel mittels einer App zu verschenken? Fragen Sie noch Ihre Nachbarn, wenn das Mehl ausgeht oder ein Ei zum Backen fehlt? Dann freuen wir uns auf Ihre Kommentare!
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Bildnachweise
© Originalfoto Vorschau- und Headerbild: artjazz / stock.adobe.com
© Foto Lisa Zvonetskaya, Screenshots UXA App, Video UXA: UXA Foodsharing / uxa-app.com
© Smartphone Lebensmittel fotografieren: igor_kell / stock.adobe.com
© Hülsenfrüchte: senteliaolga / stock.adobe.com
© Lebensmittel: New Africa / stock.adobe.com