Ende 2019 stellte die EU-Kommission den European Green Deal vor – ein Konzept, das die Grundlage für aktuelle Klimagesetze bildet und Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt emporheben soll. Enthalten sind Maßnahmen zur Emissionsreduktion in den Bereichen der Energieversorgung, Verkehr, Handel, Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft. Besonders wichtig ist laut Kommission allerdings, dass vermehrt private Investorengelder in nachhaltige Unternehmen und Produkte fließen.

Nachhaltig hier und grün da – das Schmücken mit diesen und ähnlichen Adjektiven gehört für Finanzvertriebe zum guten Ton. Schließlich nimmt Ökologie bei Kunden heutzutage einen hohen Stellenwert ein. Viele Kapitalanleger möchten mit ihrem Ersparten - trotz potenziell hoher Gewinne - keine Geschäftspraktiken unterstützen, welche Umwelt oder Mitmenschen schaden. Bisher war der Begriff „nachhaltig“ allerdings uneingeschränkt und ohne Nachweis für werbliche Zwecke nutzbar. Denn: Was bedeutet „nachhaltig“ überhaupt und ab wann agiert ein Unternehmen dementsprechend? Fragen, die zunächst simpel erscheinen, aber bei genauer Betrachtung sehr unterschiedliche Interpretationen zulassen.

Greenwashing nachhaltige InvestmentsAufgrund der ungenauen Definition, war sogenanntes „greenwashing“ weit verbreitet und juristisch kaum zu bekämpfen. Wie die neuen Regulierungen diesem Umstand entgegenwirken und was Teilnehmer der Immobilienwirtschaft sowie interessierte Anleger nun beachten sollten, erfahren Sie hier.

ESG und Taxonomie-Verordnung: Was bedeuten die Begriffe und was bringen die Regulierungen?

Altersvorsorge, passives Einkommen und finanzielle Absicherung sind gute Gründe für ein Investment - der Markt für Geldanlagen ist aber generell schwierig zu durchblicken. Aktien, Immobilien, Rohstoffe, geschlossene Fonds, Nachrangdarlehen und Crowdinvestments: Anleger, die eine informierte Entscheidung treffen möchte, haben viel zu lernen. Wer noch auf Umweltaspekte achtet, vergrößert den Rechercheaufwand immens. Die ESG-Richtlinien und EU-Taxonomie-Verordnung sollen für mehr Transparenz auf den Finanzmärkten sorgen und eine genaue Definition von Nachhaltigkeit liefern.

ESG setzt den Betrachtungsrahmen

ESG: environmental, social, governanceESG steht für „Environmental, Social, Governance“, also Umwelt, Soziales sowie Unternehmensführung. Diese Aspekte soll der Begriff „Nachhaltigkeit“ ab sofort umfassen. Im Gegensatz zum bisher gängigen Gebrauch stehen also nicht ausschließlich ökologische Aspekte im Fokus - vielmehr geht es um eine Betrachtung des Einflusses auf Umwelt und Gesellschaft insgesamt. So sollen auch Arbeitnehmer- und Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Zukunft eine Rolle spielen.

Welche Faktoren erfüllt werden müssen

Mit der EU-Taxonomie-Verordnung werden die ESG-Kriterien weiter konkretisiert und eindeutige Anforderungen für Unternehmen festgehalten, die sich oder ihre Produkte als nachhaltig / ökologisch vermarkten wollen.

EU-Taxonomie Schild mit FahneBisher werden ausschließlich Umwelteinflüsse betrachtet, da sie als besonders dringlich gelten - tiefergehende Definitionen der sozialen Aspekte und Anforderungen an die Unternehmensführung sollen zu einem späteren Zeitpunkt folgen.

Die Sparte „Umwelt“ ist in sechs Unterkategorien aufgeteilt. Betroffene Unternehmen müssen in mindestens einer dieser Kategorien einen substanziellen, positiven Beitrag nachweisen, ohne einen der anderen Aspekte negativ zu beeinflussen, um den Titel „nachhaltig“ tragen zu dürfen:

Ab 1. Januar 2022:

  • Klimaschutz
  • Anpassung an den Klimawandel

Ab 1. Januar 2023:

Pflichten für kapitalmarktorientierte Unternehmen

Ab 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 40 Millionen Euro müssen kapitalmarktorientierte Konzerne in einem nicht-finanziellen Bericht darstellen, wie und in welchem Umfang die Geschäftstätigkeit mit Hinblick auf die sechs Faktoren als nachhaltig einzuordnen ist bzw. welche außer geschäftlichen Maßnahmen ergriffen werden. In einigen Fällen muss zusätzlich berechnet werden, welcher prozentuale Anteil des Umsatzes hierfür eingesetzt wird.

Anbieter von Finanzprodukten müssen diesen Bericht unabhängig ihrer Größe erstellen und relevante Informationen in allen Verkaufsmaterialien und Webseiten kommunizieren. Nach ausführlicher Prüfung Dritter werden die Angaben gegebenenfalls zertifiziert und die Nutzung des Begriffes „nachhaltig“ erlaubt.

Pflichten für Berater und Vertriebe

Schild mit Assetklassen für InvestmentsFür Anlageberater kommt mit den Regulierungen auch eine Informations- bzw. Offenlegungspflicht hinzu: Sie müssen Investoren auf eventuelle negative Auswirkungen in den ESG-Bereichen hinweisen, wenn es gewünscht wird.

Das ist durchaus zielführend, denn wer glaubt, bei großen Banken auf der sicheren Seite zu sein, kann sich irren. Bekannte Kreditinstitute investieren bevorzugt in Branchen, die besonders lukrativ sind – leider sind diese häufig in den Bereichen Waffenhandel, fossile Brennstoffe oder Atomkraft zu finden.

Hoher Anspruch an Immobilien

Immobilien sind hierzulande für zwei Drittel der Emissionen verantwortlich und stehen somit besonders im Fokus des Gesetzgebers. Laut Experten wird die ESG-konforme Abwicklung künftig über Erfolg oder Misserfolg von Immobilienprojekten entscheiden, da sie einerseits für eine Finanzierung essentiell ist und sich andererseits direkt auf den Vermögenswert auswirkt. Zusätzlich könnten eventuelle Sanktionen bei nicht-konformer Ausführung Renditeziele gefährden und die Rentabilität der Immobilie negativ beeinflussen.

Mit Hinblick auf oben genannte Kategorien, müssen Immobilienunternehmen unter anderem folgende Faktoren berücksichtigen, um ESG-konform zu bauen:

Klimaschutz:

  • Geringer Primärenergiebedarf
  • Hohe Luftdichtheit/Dämmung
  • Installation, Wartung und Reparatur von Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Smart-Home-Applikationen oder Anlagen zur Gewinnung erneuerbarer Energien vor Ort

Nachhaltige Immobilie mit smart homeAnpassung an den Klimawandel:

  • Einsatz neuer / innovativer Technologien
  • Einbau energiesparender Geräte
  • Nachweisliche(r) Effizienzgewinn / Emissionsreduktion durch Sanierungsmaßnahmen im Bestand

Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen:

Tätigkeiten, die den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ermöglichen:

Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung:

Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme:

  • Keine Bebauung von Acker-, Kultur- oder Waldflächen
  • Keine Bebauung von Lebensräumen gefährdeter Flora / Fauna

Generell ist zu erwarten, dass die Anforderungen an Bestand sowie Neubau erhöht und laufende Kosten für Eigentümer steigen werden. Diskutiert wird beispielsweise die Teilung von CO2-Kosten zwischen Mieter und Vermieter sowie eine Verschärfung des Gebäudeenergiegesetzes. Beide Regulierungen flankieren die ESG-Richtlinien und sind mit hohen Betriebs- und Bau- bzw. Sanierungskosten verbunden, die vor Projektstart eingerechnet werden müssen.

Fazit:

Die ESG-Richtlinien und Taxonomie-Verordnung können für mehr Transparenz und mehr Durchblick bei Anlegern sorgen, bringen aber für betroffene Unternehmen großen Aufwand und viele zusätzlichen Kosten mit sich. Aber vielleicht lohnt es sich, wenn es die Emissionen verringert und tatsächlich nachhaltig agierende Unternehmen fördert. Was denken Sie? Schreiben Sie es uns in den Kommentaren.

Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich zu allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung oder Kaufempfehlung dar.

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