In „Berliner Bessermacher" sprechen wir mit Berliner Unternehmen und Unternehmern darüber, wie nachhaltiges Wirtschaften in der Region aussehen kann. In den meisten Fällen bedeutet mehr Nachhaltigkeit auch mehr Kosten und ist somit in vielen gastronomischen Betrieben direkt vom Tisch. Die Zeiten sind ohnehin schon schwer genug. Wir haben uns die Frage gestellt, ob eine nachhaltige Gastronomie auch profitabel sein kann. Unser heutiger Interviewpartner sagt: „Ja – sie ist sogar profitabler.“ Das wollten wir genauer wissen und befragten Peter Duran, der mit seinem Geschäftspartner Philip das Café “Isla Coffee” gegründet hat. Sie haben ihren Betrieb nachhaltigen Prinzipien gewidmet und erzählen gerne, wie auch andere Gastronomen profitieren können.

BR: Hallo Peter, stelle dich doch bitte einmal vor.

Peter Duran (PD): Ich bin Peter Duran und bin gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Philip der Gründer von Isla Coffee. Ursprünglich komme ich aus Detroit und bin nach verschiedenen, internationalen Zwischenstopps letztendlich in Berlin gelandet. Hier lebe ich jetzt seit 2014 im Stadtteil Neukölln.

BR: Wie sieht dein akademischer Hintergrund aus? Bist du schon immer Gastronom?

PD: Ich habe in den Niederlanden nachhaltige Entwicklung in Bezug auf Lebensmittelsysteme studiert, bin also kein klassisch ausgebildeter Gastronom. Allerdings war ich seit meinem zwölften Lebensjahr immer wieder in der Gastronomie tätig und habe alle Stationen vom Tellerwäscher bis zum Koch durchlaufen – mal in Teil- und mal in Vollzeit.

BR: Was gefällt dir an Berlin am Meisten?

PD: Berlin ist ziemlich einzigartig, da die Menschen sehr offen sind. Ich spiele Musik und laufe gerne – für jedes dieser Hobbies konnte ich schnell Gleichgesinnte finden, die meine Leidenschaft teilen und mit denen ich gerne Zeit verbringe. Auch die Gastro-Szene ist sehr zuvorkommend und hat uns mit offenen Armen empfangen. In Berlin ist es egal welche Interessen man hat, man findet eine eigene Szene, in der man dazu gehört.

Außerdem ist Berlin im Vergleich zu anderen Großstädten noch relativ günstig. In London hätte unsere Idee aufgrund der hohen Fixkosten vom ersten Tag an funktionieren müssen. In Berlin kann man sich in dieser Hinsicht noch etwas austoben.

BR: Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für dich?

PD: Nachhaltiges Handeln und vor allem das Schonen von Ressourcen ist Teil meiner persönlichen Lebensphilosophie und begleitet mich auch privat, bei allem was ich tue. Ich komme aus einem Haushalt mit geringen finanziellen Mitteln und habe gelernt, auch die kleinen Dinge des Alltags wertzuschätzen. Ich kaufe hochwertig ein und pflege meine Habseligkeiten, um sie möglichst lange nutzen zu können. Das spiegelt sich auch im Konzept unseres Cafés wider.

BR: Wie bist du auf die Idee für ein nachhaltiges Café gekommen?

Fasssade der nachhaltigen Gastronomie Isla CoffeePD: Während eines Studienpraktikums habe ich bei einem Unternehmen gearbeitet, welches große Lebensmittelhersteller zur Gestaltung und Optimierung nachhaltiger Prozesse berät. Hierbei fiel mir auf, dass die größte Verschwendung eigentlich bei den Verbrauchern bzw. in Restaurants und Cafés entsteht. Mir kam der Gedanke, dass ich hier ansetzen sollte, um eine Änderung zu bewirken.

Ich fing also in einem Berliner Café an und lernte dort meinen heutigen Geschäftspartner Philip kennen. Er war mein direkter Vorgesetzter und ließ mir im Rahmen seiner Möglichkeiten freie Hand, um nachhaltige Abläufe zu etablieren. Wir stießen allerdings bald an unsere Grenzen, da wir nicht die Eigentümer waren. Kurzerhand beschlossen wir, unser eigenes nachhaltiges Café zu eröffnen und machten uns auf die Suche nach passenden Flächen.

BR: Gab es Schwierigkeiten bei der Umsetzung/Gründung? Wenn ja, welche?

PD: Die größte Schwierigkeit lag eigentlich in der Finanzierung. Philip und ich kratzten unser gesamtes Erspartes zusammen, um das Café zu eröffnen. Zu diesem Zeitpunkt war uns noch nicht klar, dass das bei weitem nicht reichte. Nach notarieller Beurkundung, Abschluss aller bürokratischen Schritte sowie der Anmietung des Ladens reichte das Geld gerade so für eine Kaffeemaschine und einige Einrichtungsgegenstände. Zum Glück hatten wir Studienkollegen, die an unsere Idee glaubten und uns Privatkredite gaben. Das erhöhte den Druck natürlich enorm und sorgte für einige schlaflose Nächte. Zum Glück ist alles gut gegangen und wir konnten die Kredite schon begleichen.

BR: Erkläre doch bitte in aller Kürze das Konzept von Isla Coffee / Was ist eure Philosophie?

PD: Isla Coffee ist ein Spezialitäten-Café mit dem wir einen positiven Beitrag leisten wollen. Dazu gehört umweltschonend zu arbeiten und möglichst keinen Abfall zu produzieren. Alle unsere Produkte sollen zudem höchsten Qualitätsansprüchen genügen. Darum beziehen wir selbst scheinbar triviale Produkte wie Mehl und Zucker von ausgewählten Herstellern. Diese Qualität muss aus unserer Sicht auch entsprechend bezahlt werden. Darum beziehen auch unseren Angestellten, Zulieferer und Kaffeebauern überdurchschnittlich hohe Löhne.

BR: Kannst du ein konkretes Beispiel nennen, wie ihr Abfall vermeidet?

Isla Coffe KaffeemaschinePD: Ein Beispiel, das ich gerne nenne, ist die Wiederverwertung von Milch. Beim Anrichten eines Cappuccinos bleibt immer ein kleiner Rest in der Kanne übrig, der normalerweise entsorgt wird, hygienisch aber einwandfrei ist. Wir haben zwei Container unter der Theke: In einem fangen wir pflanzliche Milch auf, die wir für unsere veganen Kuchen nutzen und im anderen sammeln wir konventionelle Milch, die wir zu Joghurt und Ricotta verarbeiten. Wir nutzen am Tag ungefähr 24 bis 28 Liter und fangen in den Containern bis zu acht Liter auf. Das sind fast 25 Prozent unseres Einkaufs, der sonst im Abfluss gelandet wäre.

Außerdem verwerten wir möglichst jeden Bestandteil unserer Zutaten. Stiele von Kräutern verarbeiten wir beispielsweise zu einer leckeren Soße, anstatt sie zu entsorgen. Sollte von anderen Zutaten wider erwarten etwas übrig bleiben, wird es eingelegt oder gedörrt.

BR: Wieviel Abfall entsteht trotz aller Bemühungen in eurem Betrieb?

PD: Das größte Problem haben wir mit Speisen, die von Gästen nicht vollständig aufgegessen werden. Diese können wir natürlich nicht weiterverwerten und landen auch bei uns im Restmüll. Wir haben einen Container, der alle zwei Wochen abgeholt wird. Das ist weitaus weniger als in ähnlichen Betrieben.

BR: Wie äußert sich euer Nachhaltigkeitsanspruch sonst noch?

Isla Coffee InneneinrichtungPD: Wir kaufen, wo es möglich ist, nur regional, biologisch und saisonal hergestellte Produkte, die wir vollständig verbrauchen. Das setzt eine sehr genaue Kalkulation voraus, damit wir keine überschüssige Ware lagern müssen. Das hat manchmal zur Folge, dass wir einige Produkte nicht immer zur Verfügung haben. Das ist ok für uns – die Einstellung, dass alles immer unendlich zur Verfügung steht, ist aus unserer Sicht sowieso falsch.

Hinzu kommt, dass wir ausschließlich vegetarische und vegane Produkte servieren. Das macht es uns mit Behörden einfacher, da es andere Auflagen gibt und entspricht auch meiner persönlichen Überzeugung, da ich größtenteils vegan lebe. Ein weiterer ausschlaggebender Grund ist die Haltbarkeit: Pflanzliche Produkte lassen sich weitaus einfacher haltbar machen als tierische.

Verpackungen vermeiden wir, so gut es geht. Das ist häufig gar nicht so einfach, da viele Hersteller ihre gängigen Verpackungen nicht an die Mengen anpassen, die ein einzelnes Café benötigt. Also haben wir uns mit Gastronomen aus unserer Umgebung zusammengeschlossen und gemeinsam Großbestellungen aufgegeben, um die Art der Verpackung bzw. die Nicht-Verpackung bestimmen zu können.

Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ein Bäcker, dessen Produkte wir unbedingt in unserer Küche nutzen wollten, gar keine Lieferung angeboten hat. Der Aufbau einer eigenen Logistik und die Belieferung nur eines Cafés hätten finanziell natürlich keinen Sinn ergeben. Wir haben dann andere Gastronomen von dem Produkt überzeugt und bei dem Aufbau der Logistik geholfen. Heute beliefern sie uns und umliegende Läden mit Hilfe nachhaltiger Lastenräder.

BR: Das klingt alles sehr aufwändig.

PD: Der Aufbau dieser Strukturen und die Verhandlungen mit Zulieferern waren zunächst tatsächlich recht aufwändig. Heute werden auch bei neuen Bestellungen keine Fragen mehr gestellt – alle kennen unsere Anforderungen und die Bestellprozesse laufen wie in jedem anderen Café.

BR: Lohnt sich der Aufwand auch finanziell?

Isla Coffee WeinregalPD: Definitiv. Wir sind immer noch ein Geschäft und müssen natürlich Geld verdienen. Andere Gastronomen und auch unser Steuerberater haben uns schon mehrfach gesagt, dass wir deutlich kosteneffizienter und somit rentabler als vergleichbare Cafés sind – trotz überdurchschnittlicher Bezahlung. Sonst wären andere Gastronomen nur schwer von so einem Konzept zu überzeugen. Das ist aber letztendlich unser Ziel.

BR: Wie war/ist die Corona-Zeit für euch?

PD: Wie für alle Unternehmer waren die Corona-Lockdowns sehr schwierig für uns. Vor allem die Unsicherheit über aktuelle Regelungen hat uns zu schaffen gemacht. Wie die Meisten mussten wir uns in dieser Zeit auf das Takeaway-Geschäft konzentrieren. Wir haben zu Beginn der Krise die Köpfe zusammengesteckt und überlegt, welche Produkte uns ausmachen und wofür unsere Gäste uns schätzen. Auf diese Produkte haben wir uns konzentriert und alles Überflüssige gestrichen. Das hat unser Profil geschärft und unsere Abläufe noch weiter verbessert. Die Effekte waren so positiv, dass wir diese Änderungen nun dauerhaft beibehalten. So konnten wir der Krise auch etwas Gutes abgewinnen.

BR: Welche Visionen habt ihr für die Zukunft?

PD: Künftig möchte ich unser Konzept so vielen Gastronomen wie möglich vorstellen und eventuell ein Umdenken bewirken. Umweltschutz und höhere Gewinne sind aus meiner Sicht so überzeugende Argumente, um dieses oder ein ähnliches Konzept flächendeckend umzusetzen. Dazu möchte ich andere Gastronomen ermutigen und ihnen mit Rat und Tat beiseite stehen.

BR: Würde man das Ausmaß des Klimawandels mit einer Uhr messen, wie spät wäre es dann?

PD: Definitiv fünf vor zwölf. Die Auswirkungen des Klimawandels merken wir täglich, da wir direkt mit Kaffeebauern aus besonders betroffenen Regionen in Kontakt stehen. Laufend steigen die Preise, da immer weniger Anbauflächen zur Verfügung stehen, Dürren oder nie zuvor gesehene Naturphänomene sich negativ auf die Ernten auswirken. Die Zeit zu handeln ist jetzt.

BR: Bekommen wir es trotzdem hin?

PD: Ich hoffe es. Allerdings ist dafür aus meiner Sicht noch viel mehr Einsatz von der Politik gefragt – vor Allem auf internationaler Ebene.

Lieber Peter, wir danken dir für das spannende Interview und wünschen weiterhin viel Erfolg!

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